Kleve/Passau Hochwasser: Klever muss Wohnung räumen

Kleve/Passau · Der Student Frederik Zoller ist ein Opfer der extremen Hochwassersituation in Passau geworden. Seine Wohnung mit Blick auf den Inn musste der 20-Jährige räumen. Derzeit lebt er in einer Turnhalle.

 Musste seine Wohnung verlassen: der Klever Frederik Zoller vor dem Inn und dem Dom St. Stephan.

Musste seine Wohnung verlassen: der Klever Frederik Zoller vor dem Inn und dem Dom St. Stephan.

Foto: privat

Die Idylle der Universitätsstadt an der Grenze zu Österreich ist dahin: Ein Jahrhunderthochwasser hat Passau und einige weitere Städte überflutet. Mittlerweile kratzt der Pegelstand an den 13 Metern, so hoch wie er seit 500 Jahren nicht mehr war. Wassermassen reißen alles mit sich, die Katastrophe forderte die ersten Todesopfer. Mittendrin steckt Frederik Zoller. Der Klever erlebt das Elend derzeit hautnah mit. Er konnte von seinem Balkon aus Stunde für Stunde zusehen, wie sich das Wasser langsam aber sicher seinen Weg zu den eigenen vier Wänden im Josef-Hindl-Weg bahnte. "Man unterschätzt, wie schnell man selbst betroffen ist. Doch auch ich musste den Ereignissen Tribut zollen", erzählt der Klever.

Frederik Zoller war im Spätherbst 2012 in die bayerische Dreiflüssestadt Passau gezogen. Das Studium hat ihn dorthin verschlagen. Der 20-jährige wohnt dort in einer wunderschönen Wohngemeinschaft unmittelbar des Flusses Inn. Von seinem Balkon genießt man normalerweise eine Traumaussicht auf den Fluss und die Umgebung.

Am Sonntagnachmittag wurde bei dem Klever und seinen Freunden in der Wohngemeinschaft der Strom abgestellt und trotz positionierten Sandsäcken vor der Haustür folgte um Mitternacht das Horror-Szenario. "Die Garage ist voll Wasser gelaufen. Bewohner aus dem unteren Teil des Gebäudes haben dann ihre Sachen bei uns oben deponiert und hier geschlafen. Unten wollten wir sie nicht alleine lassen, das wäre viel zu gefährlich gewesen", sagt der Student und ergänzt: "Um etwa drei Uhr in der Nacht stand uns das Wasser im Eingangsbereich des Hauses schon bis zu den Fußknöcheln."

Am Montag war das Fass dann im wahrsten Sinne des Wortes übergelaufen. Die Wasserwacht evakuierte alle Menschen und holte auch Frederik Zoller aus seinem Zimmer. Über das Vordach manövrierte er sich in das Rettungsboot. Was danach folgte, brannte sich in sein Gedächtnis ein. "Dort, wo wir sonst zu Fuß unterwegs waren, fuhr jetzt zwei, drei Meter höher das Boot entlang. Das sind Anblicke, die vergisst man nicht."

Menschen, Maschinen, Müll. Das dunkle Wasser zieht alles mit sich. Passau versinkt im Hochwasser. Für den 20-Jährigen führt die Route in einen Stadtteil, der von der Katastrophe verschont geblieben ist. Mit zwei Dutzend anderen wird er in eine Turnhalle gebracht. Es ist für alles gesorgt. Mehrere Mahlzeiten am Tag, Decken und sogar Strom gibt es hier. Auch etwas zu Trinken wird bereitgestellt, was in der aktuellen Situation bemerkenswert ist, denn: Es gibt kaum noch Trinkwasser, da alles durch die Fluten verschmutzt worden ist.

Die Menschen in den Ausweich-Unterkünften sind frustriert und niedergeschlagen. Viele müssen mit der Ungewissheit leben, was mit ihren Wohnungen sowie ihrem Besitz geschieht. Zoller: "Ich habe mir das Nötigste mitgenommen. Wechselsachen, Wertgegenstände und mein Handy, damit ich mit Freunden und Familie in Kontakt bleiben kann. Ich frage mich aber ständig, wie es weitergehen soll und was nach der Katastrophe passiert. Man fühlt sich unsicher."

Die Stadt ist in den nächsten Tagen definitiv noch lahmgelegt, auch der Uni-Betrieb kann vorerst nicht mehr aufgenommen werden. Ein Lichtblick in all der Passauer Dunkelheit ist für die Menschen dort das Miteinander. Rettungskräfte, Einwohner und Bundeswehr sind im Dauereinsatz. "Alle ziehen an einem Strang, jeder leistet seinen Beitrag in diesen Tagen", gibt Frederik preis. Für ihn und die zahlreichen anderen Opfer der Flut kann man jetzt nur hoffen, dass sie so schnell wie möglich zurück in ihre Wohnung können. Zurück in die wunderschöne WG im Josef-Hindl-Weg - mit Balkonblick auf den Inn.

(RP/rl/anch/jco)
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