Kranenburg Die Beinahe-Katastrophe

Kranenburg · Das Hochwasser der vergangenen Tage haben die Verantwortlichen in der Region gelassen hingenommen. Denn der Niederrhein hat 1995 schon erlebt, was passiert, wenn das Wasser zur Bedrohung wird. Ein Deichgräf erinnert sich.

 Blick auf das vom Hochwasser eingeschlossene Schenkenschanz Anfang 1995. Die Bilder der Überschwemmungen sorgten nicht nur in der lokalen Presse für Aufsehen, sie gingen durchs ganze Land.

Blick auf das vom Hochwasser eingeschlossene Schenkenschanz Anfang 1995. Die Bilder der Überschwemmungen sorgten nicht nur in der lokalen Presse für Aufsehen, sie gingen durchs ganze Land.

Foto: Gottfried Evers / Heinz Schoemaker

"In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1995 erlebten wir eine Beinahe-Katastrophe. Es wäre fast zu einer Evakuierung der Menschen in der Düffelt gekommen." Das sagt Josef Bongaerts aus Nütterden, der von 1992 bis 2002 Verbandsdeichgräf des Deichverbandes Kleve-Landesgrenze war. Der ehemalige Bürgermeister von Kranenburg erinnert sich, dass das Hochwasser damals mit 9,86 Meter Emmericher Pegel seinen Höchststand erreichte. Das entspricht einem Pegelstand beim niederländischen Lobith von etwa 16,70 Meter über NN. Die Höhe des Marktes in Kranenburg liegt bei etwa 12,50 Meter, das Wasser im Rhein bei Bimmen stand also ungefähr vier Meter höher. Pro Sekunde flossen 13.000 Kubikmeter Wasser Richtung Niederlande.

Der Deichverband ist zuständig für den Hochwasserschutz. Das betrifft den Bau, die Unterhaltung und die Beaufsichtigung der Deichanlagen. Wenn wie 1995 ein Katastrophen-Alarm ausgelöst wird, geht die Zuständigkeit aber an die Kreisverwaltung Kleve über. Jeden Morgen um 9 Uhr traf sich der Krisenstab einschließlich Hilfsorganisationen und Bundeswehr in der Kreisverwaltung. Geleitet wurde er von Kreisbrandmeister Matthias Schwartges als zuständiger Mitarbeiter des Oberkreisdirektors Rudolf Kersting. Der Stab ordnete die Evakuierung des Viehs an - in kürzester Zeit mussten etwa 12.000 Rinder, Pferde, Schweine und andere Tiere weggeschafft werden. In leerstehende Stallungen, und eigentlich überall hin, wo Platz war. "Es war eine logistische Meisterleistung", sagt der heute 83-Jährige. "Auch wir hatten 50 Milchkühe von Thoenes in Kranenburg zu Gast. Es musste improvisiert werden."

 Als der Katastrophenalarm ausgerufen wurde, füllten Anwohner in Kranenburg-Mehr Sandsäcke. Die Stimmung ist auf dem Bild aber noch gut.

Als der Katastrophenalarm ausgerufen wurde, füllten Anwohner in Kranenburg-Mehr Sandsäcke. Die Stimmung ist auf dem Bild aber noch gut.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Am 30. Januar 1995 wurde der Bau des Querdamms bei Zyfflich angeordnet. Die Evakuierung von Mensch und Tier aus dem Gefahrengebiet war einen Tag später auf dem Tisch des Krisenstabs. Wie dramatisch die Lage war, schildert der Verbandsdeichgräf aus Nütterden: "In der Nacht zum 1. Februar erschien an unserer Haustür eine Polizeistreife und verlangte, mich zu sprechen. Anrufer hätten sich gemeldet und berichtet, dass am landseitigen Deichfuß bei Düffelward Wasser austrete, das mit Sand vermischt sei", sagt Bongaerts. Er sei sofort zusammen mit dem Deichgräfen der Deichschau Düffelt, Josef van Heek, rausgefahren. "Mit großen Taschenlampen bewaffnet sind wir in der Nacht den betreffenden Deichabschnitt abgeschritten." Gefunden aber haben sie nichts. "Die Kreisverwaltung verlangte eine definitive Aussage zur Gefahrenlage. Hätte ich nun starke Bedenken geäußert, wäre die vorbereitete Evakuierung der Bevölkerung sofort eingeleitet worden", sagt Bongaerts. Sie hätten dann das Los der Niederländer im Ooijpolder und der niederländischen Düffelt geteilt, die teils unter Zwang evakuiert wurden.

 Bürgermeister Karl Thelosen (4. von links) , Verbands-Deichgräf Josef Bongaerts (5. von links) , Minister Klaus Matthiesen (6. von links) und Landrat Gerd Jacobs (7. von links).

Bürgermeister Karl Thelosen (4. von links) , Verbands-Deichgräf Josef Bongaerts (5. von links) , Minister Klaus Matthiesen (6. von links) und Landrat Gerd Jacobs (7. von links).

Foto: Klaus-Dieter Stade KDS

Eine unmittelbare Gefahr drohte laut Bongaerts aus den Niederlanden. Unweit vom Schöpfwerk bei Nimwegen waren Teile des Ooijschebanndeich abgerutscht. Der Durchbruch dort konnt aber gerade noch verhindert werden. "Andernfalls hätte das Wasser über das Wylermeer sehr schnell die Kranenburger Niederung erreicht. Mit unabsehbaren Folgen", sagt Bongaerts.

(stw)
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