Urteil im Mirco-Prozess Die Frage nach dem "Warum" bleibt

Krefeld/Grefrath · Vereinzelt ist Klatschen aus den Reihen der Zuschauer im Saal des Krefelder Landgerichts zu hören. Kurz zuvor ist dort der Mörder des zehnjährigen Mirco aus Grefrath, der 45-jährige Olaf H., zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Das Urteil im Mirco-Prozess
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Die Erleichterung im Saal H 167 ist spürbar. Doch der Vorsitzende Richter Herbert Luczak unterbindet die zaghaften Sympathiebekundungen sofort. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Kammer habe sich von der "öffentlichen Erwartung" leiten lassen, sagt er.

Bei aller Erleichterung über das Strafmaß, das vielleicht wichtigste Detail in diesem Kriminalfall bleibt unbeantwortet: Die Frage nach dem "Warum". Olaf H. nimmt das Urteil ohne äußere Regung zur Kenntnis. Dabei hat das Gericht neben der lebenslangen Freiheitsstrafe auch die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit ist eine Haftprüfung nach etwa 15 Jahren und eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung ausgeschlossen.

Die Figur des Täters gibt auch nach dem Urteilsspruch weiter Rätsel auf. "Unerklärlich" nennt Richter Luczak die Tat des Mannes, der von Angehörigen als "liebevoller Vater und Familienmensch" bezeichnet wurde. Ein Motiv habe die monatelange Beweisaufnahme nicht zu liefern verbracht.

Mircos Eltern nehmen das Urteil und die knapp eine Stunde dauernde Urteilsbegründung gefasst auf. Nur als der Richter noch einmal detailliert die letzten Minuten im Leben ihres kleinen Sohnes schildert, senkt der Vater den Blick und schluckt schwer.

Leises Schluchzen im Publikum

28 Minuten habe der Junge unendliche Angst erlitten, sagt der Richter. Die fast halbstündige Tortur beginnt in der Nähe einer Skateranlage, wo Olaf H. Mirco zwingt, in sein Auto zu steigen. Sie endet auf einem verlassenen, dunklen Feldweg. Dort missbraucht er den Zehnjährigen und erdrosselt ihn wenig später mit einer blauen Plastikschnur. Als der Richter über die Aussichtslosigkeit des ungleichen Kampfes hinweist, ist leises Schluchzen im Publikum zu hören.

Es gebe keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln, dass der Angeklagte die Tat von vornherein geplant habe, sagt Richter Luczak. Bleibt die Frage nach den Gründen. "Sein Leben verlief in völlig geregelten Bahnen", sagt der Richter. Pädophile Neigungen sind nach einer psychiatrischen Untersuchung des Mannes "wenig wahrscheinlich". Anzeichen für Stress gebe es - anders als von Olaf H. behauptet - keine. Möglicherweise habe die Tötung sadistische Züge, dies sei aber nicht beweisbar.

Der Richter sagt, es gebe bei der Suche nach den Ursachen für die Tat "Anhaltspunkte, mehr aber nicht". Zwar sei Olaf H. mit einem Intelligenzquotienten von 138 hochintelligent. Er leide aber unter Selbstwertproblemen und habe wenig Widerstandskraft. Daraus habe sich die Fantasie entwickelt, jemanden zu demütigen, zu unterdrücken und zu kontrollieren. Dem nun Verurteilten attestiert er zur Tatzeit volle Schuldfähigkeit. Das dürfte auch für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld eine Rolle gespielt haben.

Die Rechtsanwältin von Mircos Eltern, Gabriele Reinartz, spricht von einer "großen Erleichterung". Dass die Hintergründe der Tat ungeklärt bleiben, werde die Familie aber ein Leben lang begleiten.

Erleichterung in Grefrath

In Mircos Heimat Grefrath stößt das Urteil auf allgemeine Zustimmung. "Es ist eine gerechte Strafe. Das Leben in der Region wird sich normalisieren, aber im Unterbewusstsein wird immer ein Gefühl von Gefahr sein", sagt ein Pärchen in einem Straßencafé.

Auch die Eltern einer kleinen Tochter begrüßen die Verurteilung. "Die Höchststrafe ist absolut richtig, auch wenn es in einem solchen Fall sowieso keine Gerechtigkeit gibt." Zugleich hoffen die beiden, dass das Urteil "abschreckend für andere" sein wird. Und auch mehr als Jahr nach der Tat ist der Mord an Mirco nicht vergessen. "Das Thema war in Grefrath immer präsent."

Dem stimmen auch drei Damen zu: "Der Schock über die Tat ist jeden Tag noch spürbar. Das Leben hier wird sich nicht mehr wirklich normalisieren. Was geschehen ist, wird immer über dem Ort hängen!"

Der Leiter der Sonderkommission Mirco, Ingo Thiel, die monatelang Jagd auf den Täter machte, sagt schlicht: "Ich bin froh, dass es vorbei ist." Nun solle man sich um die Eltern kümmern. Die Verurteilung, glaubt deren Rechtsanwältin Reinartz, sei für die Eltern "ein Meilenstein ihrer Trauerarbeit".

(dapd/areh)
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