Hückelhoven Fotografisch dem Tagebaurand genähert

Hückelhoven · Die "Fotogruppe Lebensart", eine Projektgruppe geistig und körperlich eingeschränkter Menschen, hat die "Verlorene Heimat – für immer festgehalten". Ihre Ausstellung beschäftigt sich eindrücklich mit dem Tagebau Garzweiler II.

 Die "Fotogruppe Lebensart" stellt im Hückelhovener "Café Lebensart" aus. Sie hat bei einer Exkursion erlebt und fotografiert, wie motorisierte Riesen sich am alten, sonnengelben Gemäuer von Gut Spenrath zu schaffen machten.

Die "Fotogruppe Lebensart" stellt im Hückelhovener "Café Lebensart" aus. Sie hat bei einer Exkursion erlebt und fotografiert, wie motorisierte Riesen sich am alten, sonnengelben Gemäuer von Gut Spenrath zu schaffen machten.

Foto: J. Laaser

Die "Fotogruppe Lebensart", eine Projektgruppe geistig und körperlich eingeschränkter Menschen, hat die "Verlorene Heimat — für immer festgehalten". Ihre Ausstellung beschäftigt sich eindrücklich mit dem Tagebau Garzweiler II.

Eine verlassene Geisterstadt, die hatten sie erwartet — doch schon von Weitem sehen sie aufgewirbelten Staub, hören Lärm, der die Immerather Luft erfüllt. Motorisierte Riesen machen sich an altem, sonnengelbem Gemäuer zu schaffen, in diesem Moment fällt das Gut Spenrath dem Tagebau Garzweiler II zum Opfer — und die "Fotogruppe Lebensart" ist Zuschauer der Szene.

"Es war wie im Film", sagt Leiterin Bettina Mennen. Wie Paparazzi seien sie sich vorgekommen, als sie beim Fotografieren von den Arbeitern regelrecht verscheucht worden seien. Klar. Welcher Tunichtgut lässt sich schon gerne auf frischer Tat ertappen? "Verlorene Heimat — für immer festgehalten" lautet der Titel der Ausstellung, die die Fotogruppe im gleichnamigen Hückelhovener "Café Lebensart" präsentiert.

Mit eigenen Kameras haben die Hobby-Fotografen ihre Eindrücke von Immerath, Borschemich und eben Spenrath festgehalten, die sie bei ihrer Exkursion gewonnen haben. Sie wollen zeigen, was in einigen Monaten nicht mehr sein wird: alte Bauernhöfe, Gehwege, Einfamilienhäuser und andere Zeugnisse eines längst vergangenen lebendigen Dorftreibens. Die 26 besten Fotos wurden ausgesucht und können nun besichtigt werden. Die Hoffnung, dass die Geschichten der Dörfer und Bewohner nicht in Vergessenheit geraten, die dem Braunkohlenabbau weichen müssen, schwingt in dem Titel mit. "Das Thema ist aktuell und berührend. Wir wollten das Projekt ernsthaft angehen. Ich denke, das ist gelungen", sagt Mennen. Sie leitet die Fotografie-Projekte der Gruppe geistig und körperlich eingeschränkter Menschen seit drei Jahren. Alle zwei Monate treffen sich die Mitglieder der "Fotogruppe Lebensart", dreimal im Jahr werden sie von professionellen Fotografen des Hückelhovener Fotoclubs an die Hand genommen, bekommen Tipps und Inspiration. "Diese Menschen haben einen anderen Blick auf die Dinge als wir, damit bereichern sie uns", sagt Heinz Beckers, Leiter des Fotoclubs Hückelhoven. "Die Fotos sind Beweis genug, wie gut sie sich schon machen."

Ramona Krüger gehört der Fotogruppe seit Jahren an. Sie kam früher regelmäßig nach Immerath, um Verwandte zu besuchen, als bedrückend beschreibt sie das Gefühl, das sie bei der Exkursion, ihrer Rückkehr, empfunden hat. Einen Klos habe sie im Hals gehabt. Das Ergebnis des Zwiespalts zwischen Kindheitserinnerungen und heutiger Tagebau-Realität. In strahlendem Hellblau hebt sich der Schriftzug "Ave Maria" ab, der die Aufmerksamkeit von Marcel Rickards gleich auf sich gezogen hat. Einst für die Ewigkeit in den rot-braunen Boden des Vorplatzes der Borschemicher Kirche gemeißelt, ziert er nun als Foto die Wand des "Cafés Lebensart". "Die Farben fand ich so schön", erklärt Marcel Rickards, "es waren die einzigen frohen Farben in einem grauen Dorf."

(jessi)
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