Hückelhoven Pflegende am Limit, Pflege am Boden

Hückelhoven · Ungewöhnliche Protestaktion mitten in Hückelhoven: Am Samstag legten sich 150 Pflegekräfte auf den Breteuilplatz, um auf Missstände in der Pflege aufmerksam zu machen. Manuela Garbrecht hat den Flashmob organisiert.

 "Dokumentierst Du noch oder pflegst Du schon?", "Keine Zeit für Menschlichkeit", "Pflege am Boden": Mit prägnanten Botschaften machten Pflegefachkräfte auf Zeitdruck und belastende Strukturen in der Pflege aufmerksam.

"Dokumentierst Du noch oder pflegst Du schon?", "Keine Zeit für Menschlichkeit", "Pflege am Boden": Mit prägnanten Botschaften machten Pflegefachkräfte auf Zeitdruck und belastende Strukturen in der Pflege aufmerksam.

Foto: JÜRGEN LAASER

Gerade mal 15 Minuten zum Waschen. "Beobachten Sie das doch mal bei sich selbst. Sind Sie tatsächlich nach 15 Minuten schon fertig?" Manuela Garbrecht formuliert die Frage bewusst provokant. Sie ist die Ausbildungsleiterin der St. Gereon Seniorendienste. Und sie weiß ganz genau: Um die Pflege in Deutschland ist es desolat bestellt.

Pflege nach Vorschrift im Minutentakt, keine Zeit für ein nettes Gespräch, das viele Senioren so sehr brauchen würden. Manuela Garbrecht hat die bundesweite Aktion "Pflege am Boden" für Hückelhoven organisiert. Mit dem Flashmob wollen sie und ihre Kollegen auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege aufmerksam machen.

Dabei kommt Manuela Garbrecht gerne wieder auf die 15 Minuten zu sprechen. "Soviel Zeit soll nämlich für die Gesamtkörperpflege ausreichen." Sie rechnet weiter vor: "Für die Rasur sind sieben Minuten vorgesehen. Diese Zeit steckt in der Viertelstunde natürlich schon drin." Rund 150 Mitarbeiter aus dem Pflegebereich legten sich am Samstag von 11.55 bis 12.05 Uhr auf den Breteuilplatz in Hückelhoven. Der Platz vor dem Altbau des Rathauses wirkte wie geschaffen für diese besondere Aktion, die für viel Aufsehen entlang der Parkhofstraße sorgte. Viele Menschen beobachteten die Szenerie mit Interesse.

Die neue Bundesregierung, so meint Manuela Garbrecht, müsse dringend handeln und die bestehenden Strukturen verändern. Mehr Personal einstellen? "Ja, das ist sicher sinnvoll, das reicht aber nicht aus", betonte die Altenpflegerin. "Es geht darum, die Strukturen anzupacken. Dabei spreche ich beispielsweise über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wissen Sie, die Pflege ist weiblich, daher müssen wir über viel mehr Flexibilität reden. Es gibt viele Alleinerziehende in diesem Beruf. Die allzu starren Arbeitszeiten erschweren Vieles", beschrieb Manuela Garbrecht die Situation. Die Arbeitgeber seien da ebenso gefordert wie die Politik. Ihr eigener Arbeitgeber, die St. Gereon Seniorendienste, seien da ein positives Beispiel, doch viele weitere Einrichtungen müssten eben noch folgen.

Zahlreiche Plakate brachten die Altenpfleger mit: "Pflege am Limit", "Dokumentierst Du noch oder pflegst Du schon?", "Keine Zeit für Menschlichkeit", "Pflege am Boden", "Gebt den Jahren mehr Menschlichkeit" — die Botschaften der Pfleger waren klar auf den Punkt gebracht.

Die große Resonanz auf die ungewöhnliche Aktion freute Organisatorin Manuela Garbrecht sehr. Sie kann sich darum gut vorstellen, Hückelhoven wieder zum Standort eines weiteren Flashmobs zu machen. In der Stadt werden also wieder die Isomatten und Wolldecken ausgerollt werden, um für die Würde der immer mehr werdenden pflegebedürftigen Menschen zu kämpfen.

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