Hilden Anerkennung ist das Wichtigste

Hilden · In dieser Woche gibt es Zeugnisse. Für Eltern und Schüler oft eine Belastungsprobe. Friedhelm Topp, Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle, erklärt, wie Eltern auf schlechte Noten richtig reagieren.

 Friedhelm Topp, Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle, rät Eltern, sich regelmäßig mit Lehrern auszutauschen und bei Bedarf die Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen.

Friedhelm Topp, Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle, rät Eltern, sich regelmäßig mit Lehrern auszutauschen und bei Bedarf die Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen.

Foto: Olaf staschik

Herr Topp, sie leiten die schulpsychologische Beratungsstelle. Welche Rolle spielen Zeugnisse bei Ihrer Arbeit?

Topp Wir wissen, dass viele Familien in dieser Zeit unter Druck stehen, aber wenige kommen speziell aus diesem Grund zu uns. Das Thema landet hier schon, aber eher über die Familien, die ohnehin hier sind.

Was raten Sie Eltern, deren Kinder schlechte Noten nach Hause bringen?

Topp Für viele Kinder bedeuten schlechte Zeugnisnoten eine Abwertung ihrer selbst. Die allererste Botschaft muss deshalb immer sein: Schlechte Noten bedeuten nicht, dass das Kind nicht gut genug ist. Das Kind muss immer das Gefühl haben: Selbst wenn ich schlechte Noten habe, sind meine Eltern auf meiner Seite.

Andererseits möchten Eltern ihren Kindern ja nicht das Gefühl geben, Noten seien gleichgültig – wie findet man den Mittelweg?

Topp Wenn die Noten schlecht sind, kann man auch Mitgefühl zeigen. Sagen, dass es einem leid tut, dass es nicht gut gelaufen ist. Und dann gemeinsam überlegen, wie der Schüler das im nächsten Jahr besser schaffen kann.

Haben schon Grundschüler Sorgen, wenn sie ihre Zeugnisse bekommen?

Topp In den Grundschulen gibt es ja zum Ende der zweiten Klasse die ersten Noten. Die Noten in der vierten Klasse haben schon Druckcharakter, weil es um die Empfehlung für die weiterführende Schule geht.

Wie sollen Eltern damit umgehen?

Topp Grundsätzlich ist es wichtig, sich mit den Lehrern auszutauschen. Vor allem bei einer eingeschränkten Empfehlung für eine weiterführende Schule müssen Eltern sorgfältig auf die Schullaufbahn ihrer Kinder achten. Die fünfte und sechste Klasse sind ja eine Orientierungsstufe. Es ist wichtig, sich regelmäßig mit den Lehrern zu besprechen, ob das in der neuen Schule geforderte Lerntempo das richtige ist.

Sollten gute Noten eigentlich belohnt werden? Zum Beispiel mit Geld?

Topp Kinder rechnen sich das ja sehr genau aus, für viele zählt das auch. Viel wichtiger ist es aber, Anerkennung zu zeigen dafür, dass das Kind sich eingesetzt hat. Wenn ein Schüler geschafft hat, was er sich vorgenommen hat, Fortschritte gemacht hat, ist das oft eher wert, belohnt zu werden, als die Noten selbst.

Und auf welche Weise sollte belohnt werden?

Topp Oft kann ein Ausflug eine bessere Belohnung sein als Geld. Das wichtigste ist die Anerkennung: Alle Kinder haben Zuwendung verdient, egal welche Noten sie nach Hause gebracht haben. Anstrengung verdient immer Anerkennung.

Ist es ratsam, bei schlechten Noten in den Ferien Nachhilfe zu nehmen?

Topp Wenn ich durch die Zeugnisnoten weiß, da gibt es ein oder zwei Fächer, bei denen der Schüler schwächer ist, kann es helfen, zum Ende der Ferien etwas aufzufrischen. Das sollte aber nicht übermäßig gemacht werden, denn die Kinder haben sich ihre Ferien ja auch verdient.

Wie gehe ich damit um, wenn bei Geschwistern ein Kind gute Noten nach Hause bringt und das andere nicht?

Topp Gerade dann sollte man sich sehr genau ansehen, wo hat das Kind angefangen: Hat es sich Ziele vorgenommen, die es erreicht hat? Dem einen Kind fällt das Lernen leicht und es bringt gute Noten mit nach Hause, der andere hat vielleicht ein bisschen aufgeholt. Beides kann viel wert sein. Ich würde mir manchmal wünschen, dass das auch in der Schule mehr passieren würde. Dass Lehrer die unterschiedlichen Ausgangspunkte der Schüler zum Beispiel bei der Benotung mehr berücksichtigen dürften.

Und was ist, wenn die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht wurden?

Topp Auch dann sollte dem Kind niemals der Eindruck vermittelt werden: "Du kannst das nicht" oder "Das ist zu schwer für Dich". Man muss gemeinsam mit dem Kind überlegen, wie es besser klappen kann. Das kann in Form von Nachhilfe sein. Auch wir können den Eltern dann helfen.

Hilft die schulpsychologische Beratungsstelle auch bei Zeugnissorgen?

Topp Ja. Wenn Eltern nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen, können wir meist schon in ein bis zwei Terminen helfen. Es geht dann um die nächsten Lernschritte für den Schüler.

Wer kann außer Ihnen im Notfall noch helfen?

Topp Es gibt verschiedene Angebote. Zum Beispiel bietet die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE) eine Online-Beratung an. Mit einem Chat, in dem sich Jugendliche auch untereinander austauschen können. Der wird von Beratern moderiert. Auch die Nummer der Telefonseelsorge oder die "Nummer gegen Kummer" können bei Sorgen und Nöten helfen.

frage des tages

Jennifer Koch führte das Gespräch

(RP)
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