Hilden 93-Jährige ohne Krankenkasse

Hilden · Die AOK Rheinland/Hamburg überwies Anny Unverzagt kurz vor Weihnachten an die KKH Allianz. Diese wollte die alte Dame bis Dienstag nicht aufnehmen. Die Hildenerin stand ohne Versichertenausweis da.

 Anny Unverzagt kann wieder lachen. Seit gestern ist die 93-Jährige wieder in einer Krankenkasse versichert. Sohn Dietmar Unverzagt (l.) hatte sich für seine Mutter eingesetzt.

Anny Unverzagt kann wieder lachen. Seit gestern ist die 93-Jährige wieder in einer Krankenkasse versichert. Sohn Dietmar Unverzagt (l.) hatte sich für seine Mutter eingesetzt.

Foto: Olaf Staschik

Anny Unverzagt ist 93 Jahre alt und erhält Leistungen nach der Pflegestufe II. Am 5. Dezember bekam sie ein kurzes Schreiben ihrer Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg. Man habe erfahren, dass die Hildenerin mit ihrer Tochter in einem gemeinsamen Haushalt lebe: "Für Ihre Betreuung ist nunmehr die KKH Allianz (Krankenkasse der Tochter) zuständig; diese wurde von uns darüber informiert. Bitte setzen Sie sich möglichst rasch mit dieser Krankenkasse in Verbindung, damit Ihre Krankenversorgung weiterhin gewährleistet ist."

Das tat ihr Sohn Dietmar Unverzagt und erfuhr von der KKH Allianz telefonisch, dass die Krankenkasse seine Mutter nicht aufnehmen wolle. Alarmiert versuchte der 67-Jährige herauszufinden, warum die AOK seine Mutter nach vielen Jahren plötzlich nicht mehr versichern wollte.

Eine AOK-Mitarbeiterin habe ihm am Telefon erzählt, ihre Kasse sei gebeten worden, sich von kostenträchtigen Kunden, die zudem keine Beiträge zahlten, zu trennen und sie möglichst auf andere Kassen zu verteilen. Als Begründung wurde ihm Paragraf 18c Absatz 2 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz genannt.

Seit 1. Januar hat Anny Unverzagt keinen Versichertenausweis mehr. Der Hausarzt will Verordnungen nur noch auf Privatrezept ausstellen. Der Pflegedienst versorgt die 93-Jährige glücklicherweise weiter. In seiner Verzweiflung schaltete Dietmar Unverzagt auch das Landesgesundheitsministerium und schließlich die RP ein. "Wir fühlen uns im Streit zweier Krankenkassen allein gelassen", schildert der 67-Jährige seine Not: "Jeder legt das Gesetz anders aus, und wir müssen es ausbaden." Der Hildener fordert, dass seine alte Mutter so lange Krankenversicherungsschutz — von wem auch immer — genießt, bis die Zuständigkeit geklärt ist.

Die AOK bedauerte gestern die "Unannehmlichkeiten" für Anny Unverzagt. Die Darstellung der AOK-Mitarbeiterin für den Kassenwechsel könne nur ein "Missverständnis" sein. Die KKH habe es am 20. Dezember abgelehnt, die 93-Jährige aufzunehmen. Die AOK habe sich sehr eingesetzt und mehrfach auf die Rechtslage hingewiesen. "Wir sind verpflichtet, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten", betonte ein AOK-Sprecher.

Nachdem gestern noch fehlende Unterlagen vom Versorgungsamt eingetroffen seien, sei Anny Unverzagt "ab sofort" bei der KKH Allianz versichert, versprach gestern die Kasse. Sie bedauerte die Verzögerung, die sich nicht habe vermeiden lassen. Die KKH habe zunächst widersprüchliche Informationen vom Krankenkassenverband prüfen müssen.

Dem Hausarzt will die KKH eine Kostenübernahmebestätigung zukommen lassen, weil die Ausfertigung der Versichertenkarte noch sieben Tage in Anspruch nehmen werde. Anny Unverzagt bekommt als Kriegerwitwe eine Rente vom Bund.

Den Krankenkassen werden alle erbrachten Leistungen zu 100 Prozent erstattet, erläuterte Gabriele von Berg, stellvertretende Fachbereichsleiterin Soziales Entschädigungsrecht beim Landschaftsverband Rheinland: "Das sind für die Kassen keine kostenträchtigen Fälle." Der vorliegende Fall sei in vielerlei Hinsicht "sehr unglücklich" gelaufen.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort