Zu Gast bei Jörg Grahl in Kapellen Wohnen im alten Gemeindehaus

Kapellen · Jörg Grahl hat den Gottesdienstraum in Kapellen zum Mehrgenerationenhaus umfunktioniert. Geblieben ist von der sakralen Stätte das riesige Glasfenster. Tagsüber erhellen besondere Lichtspiele den Ort.

 Ein schöner Anblick ist das ehemalige Gemeindehaus.

Ein schöner Anblick ist das ehemalige Gemeindehaus.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wer den Raum betritt, taucht in ein orange-rotes Farbenmeer ein. Das 18 Quadratmeter große Buntglasfenster ist der Blickfang, wenn man den Wohnraum von Jörg Grahl und seiner Frau Anne betritt. Vor einigen Jahren wurden in dem Zimmer, das heute ihr Wohnzimmer ist, noch Gottesdienste gefeiert. Das Haus An het Hagelkruyse 63 in Kapellen war bis 2016 das evangelische Gemeindehaus. Am 13. März 2016 fand dort der letzte Gottesdienst statt. Dann wurde das Gebäude der evangelischen Gemeinde aufgegeben, aus Kostengründen. Heutzutage finden die Zusammenkünfte der evangelischen Gläubigen in St. Bernardin statt. Dorthin ist auch die Glocke gekommen. Der Glockenturm auf dem Dach ist noch da, genauso wie das große Buntglasfenster.

Gestaltet wurde es von Wilfried Ziegler. Er ist zu Besuch bei Grahls. Das passiere ihm nicht so häufig, sagt der 77-Jährige, dass er zu dem Ort, an dem eines seiner Werke zur Vollendung gekommen ist, eingeladen wird. Aber Jörg Grahl wollte mehr von dem Fenster und seinem Erschaffer wissen.

1966 wurde das evangelische Gemeindehaus gebaut. Ziegler war damals 29 Jahre alt. Die Arbeit für die Kirchengemeinde war einer seiner ersten großen Aufträge. Er erinnert sich an die Vorgaben des Presbyteriums. Die lautete damals: keine religiösen Motive. Das ist sicher auch ein Grund, warum das bunte Fenster bleiben durfte. „Wenn dominant sakrale Elemente das Fenster bestimmten, hätte ich das nicht gemacht. Dann lebst Du in der Kirche. So lebst Du in Farbe“, nennt Grahl den Unterschied.

Aber so ganz ohne sakralen Charakter ist das Fenster dann doch nicht, gibt der Künstler zu. Das liegt unter anderem an den gewählten Formen. Auf- und absteigende Dreiecke sind auf der riesigen Fläche verteilt. „Die Dreiecksform findet sich in fast jeder Religion“, erklärt Ziegler. Beim Christentum erinnert das Dreieck an die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Aber auch die Farben sind mit der Religion verbunden, verrät der Kreative. „Blau, Grün, Rot, Glaube, Hoffnung, Liebe, wenn sie so wollen, das sind die typisch christlichen Aussagen“, sagt der Xantener.

 Jörg Grahl (l.) und der Künstler, der das Glasfenster gestaltet hat, Wilfried Ziegler, im Wohn-, Ess-, Arbeitszimmer mit Küche.

Jörg Grahl (l.) und der Künstler, der das Glasfenster gestaltet hat, Wilfried Ziegler, im Wohn-, Ess-, Arbeitszimmer mit Küche.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Farbverlauf ist alles andere als zufällig gewählt. Die riesige Glasfläche ist auf der Süd-Ost-Seite des Gebäudes montiert. „Das Fenster ist von den Lichtverhältnissen her geplant. Morgens sind die warmen Töne zu sehen“, erklärt Ziegler. Seine erste Version musste er noch einmal überarbeiten. Dem Presbyterium sei sie zu dunkel gewesen. Deswegen sind in das Fenster klare Punkte hineingekommen, große Kreise, die in hellen Grautönen gehalten sind. „Das tut dem Fenster gut, vor allem jetzt, wo das Gebäude Wohnraum geworden ist.“

Allerdings war es eine Zitterpartie, bis sich jemand für das Gemeindehaus interessierte. Acht Jahre lang suchte die Kirchengemeinde. Jörg Grahl suchte auch, ein Gebäude, das sich zum Mehrgenerationenhaus für seine Familie umbauen ließ. Er fragte Ralf Streppel, evangelischer Pfarrer aus Geldern, um Rat. Der erinnerte sich an das Gebäude, dass die evangelische Kirchengemeinde Sonsbeck anbot. Ein paar Wochen sei er um das Haus herumgeschlichen, erinnert sich Grahl. Während der Phase stand die japanische Kirsche im Garten in voller Blüte. „Rosa und prächtig“, beschreibt er den Anblick, der sicher auch mit den Ausschlag gegeben hat, sich an das recht ungewöhnliche Projekt zu wagen. Zum Garten hat er große Fenster anbringen lassen, über der Küchenanrichte auch. Damit weniger Wind durchkommt, hat Grahl von innen eine Isolierverglasung vor das riesige Buntglasfenster gesetzt. Der Farbenpracht tut das keinen Abbruch. Aber es bringt viel für das Wohnklima, die Wärme bleibt. Die Morgenstunden im Winter haben es Grahl besonders angetan. Dann steht die Sonne sehr tief. „Diese Morgenstimmung, die wird durch die Orangetöne noch verstärkt“, sagt er. „Wir leben hier wirklich auch sehr gerne“, betont er und blickt noch einmal zum Fenster mit den vielen Farben.

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