Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (10) Die SA zerstörte Gelderns Synagoge

Geldern · 63 Jahre lang gehörte das jüdische Bethaus am Nordwall zu den beeindruckendsten Gebäuden der Stadt. Doch der Nazi-Wahn machte auch vor Geldern nicht Halt. Am 10. November 1938 kündeten nur noch rauchende Trümmer von der Synagoge.

Es muss ein denkwürdiger Tag gewesen sein, als Gelderns jüdische Gemeinde ihre Synagoge Ende August 1875 am Nordwall einweihte, an der Stelle, an der heute die Firma Krüger ansässig ist. Zeugenberichten zufolge soll es ein schöner und würdevoller Tag gewesen sein. In einer feierlichen Prozession wurden die Thorarollen aus dem ehemaligen Bethaus an der Gelderstraße in die neue Synagoge getragen. Zahlreiche Gäste aus der Lokalpolitik und der Gelderner Bevölkerung wohnten dem Großereignis bei, als der Krefelder Oberrabbiner Horowitz den neuen Bau offiziell einweihte und der Gemeinde nach langjährigen Planungen ihr eigenes Zentrum übergab.

Der Bau, von einem Neusser Architekten entworfen, entsprach den gestiegenen Bedürfnissen, vor allem, was das Platzangebot anbelangte. Der ehemalige Betraum war zu klein geworden, immerhin bestand die jüdische Gemeinde Gelderns zum Zeitpunkt der Einweihung aus mehr als hundert Mitgliedern. Dass die Synagoge und die gesamte Gemeinde nur 63 Jahre später untergehen sollten, ahnte damals niemand. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die sogenannte Reichspogromnacht, besiegelte den abrupten und brutalen Niedergang allen jüdischen Lebens in Geldern.

Damalige Berichte, die in Heinz Boschs "Illustrierter Geschichte der Stadt Geldern" abgedruckt sind, zeugen von den Verbrechen. Nachdem Herschel Grynszpan, ein polnischer Jude, einen NSDAP-Funktionär in der Pariser Botschaft erschossen haben soll, riefen die Nazis die Bevölkerung dazu auf, dies zu rächen und gegen die jüdische Bevölkerung vorzugehen — auch in Geldern. Fünf SA-Männer sollen in der Novembernacht in die Synagoge eingedrungen sein, um diese in Brand zu setzen. Nach einigen Versuchen brannte das Gotteshaus lichterloh.

Die ankommende Feuerwehr erhielt von örtlichen Befehlshabern die Anordnung, nur die benachbarten Gebäude vor dem Übergreifen der Flammen zu schützen. Innerhalb weniger Stunden brannte die Synagoge aus. Lediglich eine Ruine blieb zurück — 63 Jahre religiösen Lebens in der Synagoge waren mit dem Verbrechen ausgelöscht. Aus einem Dokument eines SS-Obersturmführers über die Ereignisse geht hervor, dass zudem Wohnungen verwüstet, alle männlichen Juden verhaftet "und anschließend in örtliche lokale Arrestlokale untergebracht wurden".

Von Seiten der Gelderner kam keine Hilfe. In dem Dokument heißt es weiter: "Die Bevölkerung verhielt sich den Demonstrationen gegenüber passiv. Der Brand der Synagoge hatte eine größere Zuschauermenge angelockt, die diesem Schauspiel zusah."

Der Synagogenbrand sollte aber nur der Auftakt sein. Aufgrund weiterer Repressalien flohen viele Juden ins Ausland. Die Zurückgebliebenen wurden allmählich verhaftet und deportiert. Anfang 1942 verkündete Gelderns ehemaliger Bürgermeister Lehmann: "In der Stadt wohnen keine Juden mehr." Nur wenige kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Heute steht ein Gedenkstein des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend am Nordwall.

Seit Dezember 2011 erinnert zudem ein goldfarbener Stolperstein an die Zerstörung des ehemaligen Prachtbaus, "um eine bleibende Erinnerung zu schaffen", sagt Bernd Bianchi, Initiator der Stolpersteine in Geldern. An jedem 9. November hält er, selbst Ratsmitglied für die Grünen, zusammen mit anderen Lokalpolitikern und Bürgern eine Mahnwache ab, um an die Nacht vor 75 Jahren zu erinnern.

"Das war der erste Stolperstein in Geldern. Während der Mahnwache kam uns die Idee. So habe ich mich an den Künstler Gunter Demnig gewandt, der die Steine in ganz Deutschland verlegt. Der am Nordwall ist auch einzigartig, weil Demnig üblicherweise nur Stolpersteine vor ehemaligen Wohnhäusern einlässt", ergänzt Bianchi. Mittlerweile sind in Geldern an 18 Orten Stolpersteine verlegt, die an das ehemalige jüdische Leben in der Herzogstadt erinnern sollen.

(cad)
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