RP-Serie Duisburger Geschichten und Geschichte Schloss Kalkum und „die rote Gräfin“
Duisburg · In Schloss Kalkum residierte einst Gräfin Sophie von Hatzfeldt. Eine Geschichte über Scheidungskrieg, Adel, Liebe, Intrigen und Duelle.
Viele Duisburger kennen das Wasserschloss Kalkum und seinen Park – eine schöne Kulisse für Hochzeitsfotos und Einladung zu romantischen Spaziergängen. Weniger bekannt ist, dass die Gattin des Grafen Edmund Hatzfeldt, Sophie von Hatzfeldt eine enge Beziehung zum Arbeiterführer Lassalle pflegte. An ihn erinnert heute eine Gedenkstätte in einem turmartigen Pavillon an der östlichen Mauer des Schlossparks.
Sophie von Hatzfeldt (1805-1881) war 1822 aus dynastischen Gründen mit ihrem Cousin zwangsverheiratet worden. Die Hochzeit wurde auf Schloss Kalkum groß gefeiert. Doch die Ehe stand unter einem schlechten Stern. Graf Edmund betrog, misshandelte sie und verbot ihr oft den Ausgang, entzog ihr sämtliche Finanzen und schrieb ihr vor, sich in die Ehe zu fügen. Sophie verbrachte mit den drei Kindern auf diese Weise viele einsame Jahre auf Schloss Kalkum. „Den Demütigungen entfloh Sophie, wann immer es möglich war, in Reisen und Liebesabenteuern. Seit 1833 lebte sie faktisch von ihrem Mann getrennt. Sie pochte darauf, als Frau eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Rechten zu sein; eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts unerhörte Forderung“, so die Archivarin Astrid Küntzel vom Landesarchiv Rheinland.
Sophie von Hatzfeldt suchte verzweifelt nach Wegen, die unglückliche Ehe zu beenden. Der Scheidungswunsch war für eine adelige Frau des 19. Jahrhunderts absolut außergewöhnlich. Die „rote Gräfin“ ließ sich bei ihrem acht Jahre dauernden Scheidungskrieg von Ferdinand Lassalle, einem der wichtigsten Vordenker der deutschen Sozialdemokratie beraten. Die zahlreichen Prozesse, in denen Lassalle als Bevollmächtigter der Gräfin fungierte, und die Verfolgungen, denen er ihretwegen ausgesetzt war, haben ihn im Rheinland populär gemacht. Im Verlauf dieser Prozesse erwarb Lassalle umfassende juristische Kenntnisse und wurde zum brillanten Verteidigungsredner in fremder wie in eigener Sache. Am Ende des aufsehenerregenden Verfahrens triumphierte Lassalle. 1854 kam schließlich ein Vergleich zustande, der Sophie ein regelmäßiges Einkommen garantierte. Davon profitierte auch Lassalle, dem Sophie nun ein großzügiges Honorar auszahlen konnte. Es ermöglichte ihm, sich voll und ganz der Arbeiterbewegung zu widmen.
Über das enge Verhältnis der beiden ist viel spekuliert worden. War es trotz der 20 Jahre Altersunterschied eine Liebesbeziehung oder eher eine tiefe Freundschaft? Dass eine Gräfin ohne Trauschein mit einem bürgerlichen Juden zusammenlebte, war für die damalige Zeit skandalös. Gleichwohl hatten beide ihre Amouren, wobei die Beziehung Sophies zu Wilhelm Rüstow , einem Militärschriftsteller der deutschen Linken, fast zum Zerwürfnis mit Lassalle geführt hätte. Umgekehrt verliebte sich der leicht entflammbare Lassalle in die junge Helene von Dönniges, die er auch heiraten wollte. Doch deren Eltern wollten das auf jeden Fall verhindern. Die beleidigende Ablehnung empfand Lassalle als Ehrenkränkung und verlangte von dem Vater seiner Angebeteten Genugtuung.
Der ritualisierte Zweikampf bedeutete im 19. Jahrhundert ein Duell mit Pistolen. Der Burschenschaftler Lassalle war für sein Draufgängertum bekannt, selbst Bismarck hatte Jahre zuvor nach einem Pistolenduell die Flucht vor Lassalle ergriffen – von wegen „eiserner Kanzler“. Lassalle schickte dem tief gedemütigten Bismarck zur Erinnerung jährlich einen Waschlappen. Aber was hat das mit dem Pistolen-Showdown zu tun, der am Morgen des 28. August 1864 im Genfer Vorort stattfand?
Es gibt geheim gehaltene Papiere, die eine Intrige des brüskierten Bismarcks belegen. Der rumänische Aristokrat von Racowicza, der Helene von Dönniges damals ebenfalls den Hof machte, sei von Bismarck in Abstimmung mit Helenes Vater als Vertreter ins Duell geschickt worden, berichtete der WDR im Jahr 2015. Helenes Vater trat selbst nicht zum Duell an. Janko von Racowicza feuerte schneller. Lassalle starb an den Folgen der schweren Verletzung. Er wurde nur 39 Jahre alt. Und was tat die trauernde „Rote Gräfin“? Sie führte die politische Vision Lassalles weiter, veröffentlichte seine Schriften und gründete den Lassalle’schen Arbeiterverein.
Die zigarrenrauchende Gräfin stieß allerdings auf immer mehr Misstrauen und Ablehnung bei den frauenfeindlichen Arbeiterfunktionären. Da verwundert es nicht, dass sie sich frustriert aus der Politik ins Private zurückzog. Ihr Lebensgefährte Lassalle wurde nach seinem Tod zur Lichtgestalt der Sozialdemokratie.
Quelle: Astrid Küntzel: Sophie Gräfin von Hatzfeldt (1805-1881), Aktivistin der Arbeiterbewegung im Online-Portal Rheinische Geschichte, veröffentlicht am 7. März 2013