Düsseldorf Klassische Schönheiten

Düsseldorf · David Reiland dirigierte die Düsseldorfer Symphoniker bei Mozart, Schubert und Prokofjew. Solist in der Tonhalle war Vadim Gluzman.

 Der belgische Dirigent David Reiland stand zum ersten Mal am Pult der Düsseldorfer Symphoniker.

Der belgische Dirigent David Reiland stand zum ersten Mal am Pult der Düsseldorfer Symphoniker.

Foto: Diesner

Die Große Trommel thront einsam und verlassen über den Köpfen der Düsseldorfer Symphoniker. Die füllen in sparsamer Besetzung mit nur zehn Ersten Geigen etwa die Hälfte der Tonhallenbühne, wie sich das gehört, wenn man Mozarts "Kleine g-Moll-Sinfonie" ganz ohne romantische Attitüde aufführen will. Auch bei Schuberts Fünfter, ebenfalls Werk eines 18-Jährigen, bleibt das erst in der Spätromantik für die großen Orchester entdeckte Schlag-Instrument still, schön und verheißungsvoll. Denn in Prokofjews 2. Violinkonzert, das zwar in Form und Gestus auf die klassische Schlichtheit zurückweist, steht der Zweite Weltkrieg gewissermaßen vor der Tür. Und da ist dumpfes Grollen durchaus angesagt, wenngleich Prokofjew die Große Trommel gewissermaßen feingeistig einsetzt. Davon später.

Zunächst aber zum Mann am Pult, zu David Reiland. Der belgische Dirigent steht das erste Mal in Düsseldorf am Pult, und er ist offenbar zum Arbeiten da, nicht zum Glänzen. Kaum hat er das Podest betreten, verbreitet sein Körper Hochspannung. Er ist Mischpult, Pulsator, Bewegung. Selten hat man einen Orchesterleiter so elastisch gesehen. Das Piano leitet er gewissermaßen aus der Kniebeuge. Die Hände, die keinen Taktstock benötigen, weisen, schwingen, singen. Irgendwie zart und bestimmt zugleich, fordernd und auf größtmögliche Freiheit bedacht, rufen sie das in den Proben erarbeitete Klangideal ab und führen es zu einem luftigen und zugleich ernsten Mozart zusammen.

Immer hat der 38-Jährige, der jetzt Chef in Metz und Lausanne wird, genaue dynamische Abstufungen im Sinn, er phrasiert mit Herz und Verstand, raubt dem Andante fast den Puls, zaubert mit dem versammelten Holz im Trio, hurtigt sich durchs finale Allegro.

Reiland ist der ideale Mann für die "halben Sachen", als die manchem Romantik-Freund die hier geradezu mustergültig interpretierten Sinfonien von Mozart und Schubert gelten mögen. Denn auch beim Schubert kennt der Klassik-Fan jeden Ton, jeden Übergang, jede Nuance. Und weiß den unaufgeregten Betrieb, den Reiland im Orchester macht, zu würdigen. Sie sind mit hörbarer Freude und Konzentration bei der Sache, die Symphoniker. Wenig Vibrato, quirliger Bogen, lupenreine Intonation ist das Rezept der Streicher. In Holz und Hörnern herrscht edles Strahlen vor.

Prokofjew ist - nicht nur wegen der Großen Trommel - ein anderes Kaliber. Das halbstündige Werk hat der seligen Harmonie Ade gesagt; die zunächst übersichtlich schlichten Motive drängen in neue Welten. Und die sind wenig konsonant, schon eher perkussiv und auf harmonische Reibung aus. Mit Vadim Gluzman steht ein Titan im Rund der Musiker, der seine Stradivari scheinbar mühelos strahlen lässt. Gluzman ist ein Finger- und Bogen-Athlet, er verbeißt sich in die ungemein motorische Solostimme, lässt nicht nach in der Intensität. Dabei hat er jederzeit ein Ohr für seine Mitspieler, wirft Bälle zu, nimmt Impulse auf. Ein großer Virtuose, ein großer Musiker, dieser Gluzman, der sogar das verrückte Unisono mit den Kontrabässen zu genießen weiß. Dazu: Kastagnetten, Triangel, Becken und eben - unpathetisch, doch dräuend - die Große Trommel. Reiland wirkt sachlich und als Fels in der Brandung, und beim Zugabe-Bach steht er selig hörend vor Gluzmans Klangsinn.

(RP)
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