Düsseldorf Keramikfisch aus den Tiefen des Ozeans

Düsseldorf · Unter dem Titel "Lost Paradise" sind im "Kai 10" Werke von Künstlern der Gegenwart zu sehen, die sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier befassen. Vieles hat Bezug zur Wirklichkeit, manches ist grandios erfunden.

Am verlorenen Paradies haben sich Hundertschaften von Dichtern und Künstlern unterschiedlicher Generationen abgearbeitet, doch denke niemand, das sei schon alles gewesen. Selten bot eine Ausstellung im Düsseldorfer Kai 10 so stark nachwirkende Überraschungen wie "Lost Paradise". In der Mitte des zentralen Raums lagert die keramische Nachbildung eines Meerestiers, das bislang noch niemand lebend erblickt hat: eines in den Tiefen der Ozeane lebenden Kalmars. Dass man sich dennoch eine Vorstellung von seiner Gestalt machen kann, liegt daran, dass immer mal wieder Kadaver an den Küsten angeschwemmt werden.

Der peruanische, in Deutschland lebende Künstler David Zink Yi hat diesen "Abfall der Natur", wie er es formuliert, künstlerisch aufgewertet und seine keramische Kopie in einen See aus jener schwarzen Tinte gelegt, mit der sich die Tiere zur Wehr zu setzen pflegen. Damit verbildlicht er den Dauerzustand der Natur: das Schwanken zwischen Leben und Tod.

Von der anderen, der heiteren Seite nähern sich die beiden in den Niederlanden lebenden russischen Künstlerinnen Marta Volkova und Slava Shevelenko dem Thema "Mensch und Tier". Die Käferart, der ihre Installation gilt, ist eine köstliche Kopfgeburt. "Tunguska Scarabaeus", der angeblich in Sibirien dingfest gemachte Käfer, der sich in Farbe und Gestalt seiner Umgebung anpasst, zeigt sich derart anpassungsfähig, dass er sogar mit einer Euro-Münze eine Symbiose eingeht. Wer?s nicht glaubt, kann sich vor einer Vielzahl von Vitrinen davon überzeugen. Selbst mit einer weißen Büste des russischen Revolutionsdichters Wladimir Majakowski hat sich der Käfer vereint. Zu allem Überfluss gibt es eine brasilianische Variante von "Tunguska Scarabaeus". Auf Tafeln an den Wänden, die an Naturkundemuseen der 50er Jahre erinnern, finden sich akkurate Skizzen und schriftliche Erklärungen zu der wandlungsfähigen Spezies.

Auch der deutsche Fotograf und Videokünstler Stefan Panhans pellt sich aus der Vergangenheit, um einen Beitrag zur Gegenwart zu liefern. In seinem Video lässt er eine in einen roten Schlafsack gepresste, auf Stroh gebettete, grell geschminkte Frau allerlei Sätze sprechen. Vieles klingt psychologisierend, ist unmittelbar an den Zuschauer gerichtet. Die Frau im Schlafsack, der ihr keinen Raum zur Bewegung lässt, wirkt wie eine Raupe - und fügt sich damit ins Generalthema der Ausstellung ein.

Darin hat selbst ein so traditionelles Medium wie die Malerei ihren Platz. Vom Düsseldorfer Akademie-Professor Andreas Schulze stammen Bilder, auf denen tintenfischartige Lebewesen einen surrealen Garten Eden bevölkern. Tiere sind bei Schulze keine unter dem Menschen leidenden Kreaturen, sondern Geschöpfe, die sich selbst befreien. Mit dem Gestus des Wissenschaftlers kommt dagegen der amerikanische Bildhauer und Zeichner Mark Dion daher. Auf Podesten hat er ausgestopfte, teilweise teerverschmierte Tiere aufgereiht, die seine Haltung zur Bedrohung der Natur ausdrücken und zugleich davor warnen sollen, Tiere nur als Nutztiere zu schätzen - eine recht konventionelle Kritik zum Thema "Mensch und Tier". Das verlorene Paradies ringsum entfaltet erheblich stärkere Bildkraft.

(rp)
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