Poke Bowls Hawaiis herzhafte Antwort auf Sushi und Salat

Freunde des rohen Fischs haben ein neues Lieblingsgericht: Poke. In Restaurants hierzulande wird das kulinarische Konzept aber noch nicht ganz konsequent angewandt.

Poke Bowls: Hawaiis herzhafte Antwort auf Sushi und Salat
Foto: Bretz, Andreas (abr)

Auf einmal ging alles ganz schnell: Noch im März mussten Trendsetter für eine Schüssel voller Reis, Gemüse und rohen Fischs noch nach Berlin oder München jetten. Jetzt haben sie auch in Düsseldorf und Köln die Auswahl zwischen gleich mehreren Restaurants, die Poke Bowls anbieten. Das hawaiianische Gericht, dessen Name sich ganz korrekt ausgesprochen auf "okay" reimt, gab es vorher in der Landeshauptstadt nur kurz in einem Pop-Up-Restaurant an der Immermannstraße. Mittlerweile haben Gastronomen in Unterbilk und an der Königsallee es auf die Karte genommen, selbst auf einem Schiff im Rhein, das bislang Döner anbot, werden jetzt Bowls im polynesischen Stil serviert.

Grundlage ist dabei meistens Reis - weiß oder braun. Darauf werden mehr oder weniger dekorativ fein gewürfelte Zutaten angerichtet: in der Regel roher Thunfisch oder Lachs, manchmal auch Garnelen, dazu dann Karotten, Avocado, Gurke, Edamame (junge Sojabohnen), Kiwi, Mango oder Erdbeeren. Es folgen eine Sauce - gerne in exotischen Geschmacksrichtungen wie Weißer Pfirsich-Wasabi oder Ananas-Mayo - und ein knuspriges Topping, beispielsweise Sonnenblumenkerne oder geröstete Algen. Eine Bowl kostet meist zwischen neun und 13 Euro. Im Idealfall erwartet den Esser ein sättigendes, aber leichtes und vor allem frisches Gericht, bei dem jede Gabel anders schmeckt. Poke Bowls leben von unterschiedlichen Konsistenzen und Aromen, die sich nie ganz verbinden - auch wenn die Zutaten in der Schüssel vor dem Essen leicht durchgemischt werden.

Abwechslung und Individualität seien das Geheimnis von Poke, glaubt auch Mario Robert. "Man kann sich bei uns jeden Tag eine andere Bowl zusammenstellen", sagt der Geschäftsführer von Aloha Poke im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk. Erstes Gericht auf der Speisekarte dort: eine Bowl namens "Mischpoke", mit Thunfisch, Lachs, Shrimps, Avocado-Creme, Mango, Edamame, Röstzwiebeln, Gojibeeren und Sesam, dazu eine Erdnuss-Koriander-Sauce. Wie authentisch hawaiianisch ist diese Kombination eigentlich? Sehr, sagt Robert. Die Franchisegeber aus München hätten das Konzept direkt aus der dreimonatigen Elternzeit in Hawaii mitgebracht, man könne Poke genau so auch auf den Inseln genießen.

Nun ja. "Ich benutze eigentlich ungern Etiketten wie ,authentisch', wenn es ums Essen geht", sagt Martha Cheng. "Aber so etwas würde man hier niemals finden." Cheng ist Ex-Köchin, Food-Journalistin und hat ein Kochbuch über Poke geschrieben. Sie stammt aus San Francisco und lebt seit vielen Jahren in Honolulu. "Auf Hawaii verstehen wir unter Poke normalerweise eine Art Salat aus gewürfeltem rohen Fisch", erklärt sie. "In der Regel besteht er aus Ahi, also Thunfisch, dünn geschnittenen Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Sojasauce und Sesamöl." Mittlerweile gebe es aber auch viele Variationen auf das Thema: unterschiedliche Dressings, gegarte Meeresfrüchte oder statt Fisch gewürfeltes Huhn oder Gemüse. Nur sehr selten werde Poke als Bowlgericht serviert, dann normalerweise nur mit Reis, sagt Martha Cheng. "Wir kaufen Poke meistens pfundweise im Supermarkt oder Fischladen und essen es als Vorspeise oder Snack, wie Amerikaner Chips und Salsa essen." Für sie sei Poke so etwas wie der Hamburger Hawaiis: "Es ist allgegenwärtig, und es gibt viele verschiedene Varianten."

Vom Snack, den Fischer direkt am Strand zubereiteten, indem sie den frischen Fang würfelten und mit Meersalz, getrockneten Algen und gerösteten Kukuinüssen würzten, hat Poke sich mit jeder Einwanderungswelle nach Hawaii weiterentwickelt: "Die Asiaten brachten Sojasauce, Sesamöl und Frühlingszwiebeln, die Festland-Amerikaner Gemüsezwiebeln und Chilis", sagt Cheng. Inzwischen gebe es auf Hawaii auch Poke mit koreanischem Kimchi, japanischem Wasabi und chinesischer Austernsauce.

Als kulinarisches Konzept ist Poke also erwiesenermaßen dehnbar. Was auf dem US-amerikanischen Festland als Poke verkauft wird, treibt Kennern trotzdem die Tränen in die Augen. Das Internet ist voller Hasstiraden: "Die ruinieren Poke", beklagte kürzlich wieder eine Kolumnistin der "Washington Post". Mais, Grünkohl, Low-Carb-Pasta, Nachos wanderten in die Schüssel und würden dann noch mit Mayonnaise überzogen. Als schlimmste Beleidigung empfinden gebürtige Hawaiianer, wenn Ananas neben dem Thunfisch landet - die kulinarischen Wunden, die Pizza Hawaii geschlagen hat, sind nie geheilt. Mehr Mut zum Originalrezept wäre wünschenswert - auch hierzulande.

(hpaw)
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