Düsseldorf Düsseldorfer Arzt hilft Menschen in Gambia

Düsseldorf · Aus einem alten Container machte Zahnarzt Thomas Kühn ein modernes Behandlungszimmer. Davon profitieren Menschen in Gambia. Ein Teil der Ausstattung stammt aus dem aufgegebenen Gefängnis an der Ulmer Höh'.

 Zahnarzt Thomas Kühn (l.) in seinem klimatisierten Praxis-Container in Gambia. In den Wochen, die er in Westafrika verbringt, behandelt er bis zu 25 Patienten täglich. Manchmal retten seine Eingriffe sogar Leben.

Zahnarzt Thomas Kühn (l.) in seinem klimatisierten Praxis-Container in Gambia. In den Wochen, die er in Westafrika verbringt, behandelt er bis zu 25 Patienten täglich. Manchmal retten seine Eingriffe sogar Leben.

Foto: privat

Es sind die Augen seiner Patienten, die Thomas Kühn faszinieren. "Sprechende Augen, die vor allem eins sagen: Danke", meint der 63-Jährige. Die Menschen, an die der Zahnarzt in diesem Moment denkt, kommen nicht in seine Mörsenbroicher Praxis. Rund 5000 Flugkilometer trennen diese Männer, Frauen und Kinder von Düsseldorf. "Zwei Mal im Jahr bin ich in Gambia in Westafrika und behandele dort in einem klimatisierten Container bis zu 25 Menschen am Tag", sagt Kühn. Geld nimmt er dafür nicht. Im Gegenteil: Seinen Flug an den Äquator zahlt er selbst.

Die Arbeit bei fast 60 Grad in der Sonne begreift der Mediziner als soziales Engagement. "Mitglied einer Kirche bin ich nicht mehr, aber von christlicher Nächstenliebe halte ich jede Menge", sagt er. Rund 10 000 Euro steckte Kühn in den zu einem Behandlungszimmer umgebauten Container. Den gebrauchten Zahnarzt-Stuhl ersteigerte der Vater zweier erwachsener Söhne für ein paar hundert Euro bei Ebay, die Schränke kaufte er bei Ikea. Absauganlage und Bohrer kommen gar aus dem Gefängnis. "Die wurden mir von der Justizverwaltung geschenkt, als die Ulmer Höh' geschlossen wurde", erzählt Kühn. Das Ganze baute er mit Hilfe von Ratinger Freunden unter der A3-Brücke im Angertal zusammen und verschiffte seine Container-Praxis anschließend Richtung Westafrika.

Der Einsatz des Zahnarztes und der anderen europäischen Helfer, die in der Krankenstation des Dorfes Darsilami arbeiten, ist nicht ohne Risiko. Impfungen gegen Hepatitis und Gelbfieber sind Pflicht, eine Malaria-Prophylaxe auch. Damit nicht genug: Als kürzlich im nahen Mali Ebola-Verdachtsfälle auftauchten, wurde Kühn hellhörig. Denn das Gebiet, in dem der extrem gefährliche, nicht behandelbare, häufig tödliche Virus auftauchte, liegt nur wenige hundert Kilometer von Darsilami entfernt.

"Ich bin nicht ängstlich", sagt der engagierte Arzt. Das glaubt man dem gebürtigen Franken, der seit 1977 im Rheinland lebt, aufs Wort. Kühn strahlt Gelassenheit aus. Und er nimmt das Leben gerne von der heiteren Seite. Geistige Enge schmerzt ihn fast so wie die Karies seine Patienten. Aus einem großen Düsseldorfer Karnevalsverein trat er aus, weil ihn dessen Chef vor versammelter Mannschaft wegen einer 15-minütigen Verspätung maßregelte wie einen Schuljungen. "Ich hatte einen Schmerzpatienten. Und der war mir in dem Moment wichtiger. Damals habe ich begriffen, dass nicht jeder Karnevalist automatisch auch Humor hat", sagt der passionierte Hobby-Segler. Trotzdem blieb Kühn dem organisierten Winterbrauchtum treu. Seit Jahren gehört der Düsseldorfer Jong (Tischgemeinschaft Wirtschaft) zur Kölner Narren Gilde und schätzt den augenzwinkernden Spagat zwischen den rheinischen Metropolen.

Die Menschen, denen er in Gambia hilft, gefallen ihm auch deshalb, "weil sie fröhlich und hilfsbereit sind und so viel Freude in sich tragen". Dabei sind die Lebensbedingungen in dem vom Senegal umgebenen schmalen Land hart. "Es verhungert niemand. Aber Strom gibt es in den Dörfern nicht, und auch ein Auto ist Luxus. Die meisten Familien leben in einfachen Hütten mit Wellblechdächern", berichtet der Mörsenbroicher.

Zu Ärzten gehen die Menschen in Darsilami meist erst, wenn es nicht mehr anders geht. "Eine 17-Jährige, die bereits zwei Kinder hatte, kam zu mir. Ihr Gesicht war entstellt, der Gaumen regelrecht verschoben", erinnert sich Kühn. Der Grund war ein riesiger eitriger Abszess an einem Zahn. Zwei Tage später hätte sie tot sein können. Doch die junge Mutter hatte Glück - dank der Hilfe aus Düsseldorf. "Bei meiner nächsten Reise kam sie freudestrahlend zu mir. Sie trug ihr drittes Kind unter dem Herzen."

(RP)
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