Familienleben in Düsseldorf Wie eine Familie ihr Leben nachhaltiger gestaltet

Düsseldorf · Dariush Kashani mag Steaks, dennoch verzichtet er darauf. Ein Auto hat die vierköpfige Familie bereits abgeschafft. Und im Zweifel kauft sie lieber einen gebrauchten Pullover.

 Obst und Gemüse kaufen die Kashanis fast nur noch auf dem Wochenmarkt. Dem Ehepaar ist Nachhaltigkeit sehr wichtig.

Obst und Gemüse kaufen die Kashanis fast nur noch auf dem Wochenmarkt. Dem Ehepaar ist Nachhaltigkeit sehr wichtig.

Foto: Endermann, Andreas (end)

In der braunen Schale auf der Küchenanrichte liegen Obst und Gemüse. Eva-Maria Kashani hat es vom Wochenmarkt. Der ist nah in Unterbilk, diesem hoch urbanen Düsseldorfer Stadtteil, wo Autofahrer sich für einen freiwerdenden Parkplatz schon mal überschwänglich bedanken. Auch der Supermarkt ist um die Ecke, aber Lebensmittel, sagt Eva-Maria Kashani (41), kaufe sie nur noch auf dem Wochenmarkt. Weil sie frischer sind, besser schmecken, wie sie findet, weil dort viele Bio-Produkte angeboten werden. Ja, auch das sind Gründe. Aber vor allem möchte sie regionale und saisonale Erzeugnisse kaufen. Denn sie und ihr Mann Dariush (43) versuchen als Familie mit den Söhnen Ilja und Jakob, die im September eins beziehungsweise vier Jahre alt werden, möglichst nachhaltig und umweltschonend zu leben.

Und Nachhaltigkeit, sagen die Kashanis, fängt beim Essen an. Die Einkäufe sind überlegt, oft schmal, der Kühlschrank ist nie übervoll. Es gibt meist eben das, was der Jahreszeit entspricht. Ilja weiß schon, dass nicht immer Tomaten, Gurken oder Erdbeeren zu haben sind. Ausnahmen sind drin, sagen die Eltern, aber Bio sollte es dann sein, am besten aus Europa ­ und ganz sicher nicht die Avocado aus Südamerika.

Fleisch mögen die Kashanis, aber sie verzichten dennoch darauf, auch aus ethischen Gründen. Konsequent, wenn auch nicht immer leichten Herzens. „Ein Steak, das ist schon was Gutes“, sagt Vater Dariush. Er lebt seit 2016 vegan, Mutter Eva-Maria nach der Geburt von Jakob zumindest weitgehend. Dagegen bekommen die Kinder Fisch, Lamm und Rind, um sie mit allem zu versorgen, aber nicht jeden Tag. Ilja, sein Ältester, erzählt Vater Dariush, sei ein „Allesesser“. „Wir möchten ihm nichts verbieten, klären ihn aber auf. Er weiß, dass Fleisch von toten Tieren ist.“ Aber manchmal wolle er unbedingt eine Bratwurst oder er beschwere sich, wenn auf der Pizza keine Salami ist. Doch er mag zunehmend auch den Sojaersatz. Im Kindergarten darf er essen, was auf den Tisch kommt. „Wir wollen ihn ja nicht ausgrenzen.“

Das Problem, abends einen Parkplatz zu finden, haben die Kashanis nur bedingt. Denn sie haben ein Auto abgeschafft. In Unterbilk fällt das leichter. Das geben sie zu. Hier ist alles zu Fuß zu erreichen. Nur Vater Dariush hat noch ein Auto. Er arbeitet als Personalberater in Köln, muss Klienten besuchen. Das gehe mit dem Auto immer noch am besten. „Leider“, fügt er hinzu. Aber wenn Eva-Maria Kashani im Oktober nach der Elternzeit wieder im Management bei Henkel einsteigt, wird sie Bus und Bahn nutzen.

Zuvor möchte Eva-Maria Kashani im Hinterhofgarten noch einen Kompost und ein Hochbeet anlegen. Die Nachbarn wollen mitziehen beim Anpflanzen von Kräutern und Gemüse. Und die Kinder sollen sehen, wie Dinge wachsen. Auf ihrem Balkon säen die Kashanis seit Jahren schon so manches. Aber als sie nun für zwei Wochen nicht zu Hause waren, raffte die Hitzewelle alles hinweg.

Ein wenig hätten sie aus der Not eine Tugend gemacht, räumt die Ehefrau ein. Ihre Drei-Zimmer-Altbauwohnung empfanden sie als großzügig, ­ als sie noch zu zweit waren. Jetzt, mit den Kindern, die sich ein Zimmer teilen, sei es doch beengter. Auch deshalb würden sie regelmäßig ausmisten. Dabei stellen sie fest: Man hat vieles, was man nicht wirklich braucht. Neu kaufen würden sie eigentlich kaum mehr etwas. Wie viele Familien haben auch die Kashanis die Erfahrung gemacht, dass Kinderkleidung und Spielzeug prima gebraucht zu haben sind. Das sei nicht nur nachhaltiger, sondern spare auch Geld.

Vater Dariush hat sich viele Gedanken gemacht darüber, wie man verantwortungsvoller mit Ressourcen umgeht. Es war ein langer Prozess, sagt er, der 2003 begann. Damals stieß er auf ein Buch. „Simplify your life” hieß es. Und einen ersten Anstoß, minimalistischer zu leben, habe er während seines MBA Studiums an der Nyenrode Business Universiteit in den Niederlanden erfahren. Dort war 2006 schon Thema, was heute hier diskutiert wird. Seither prüft er jede Anschaffung. Brauche ich wirklich noch einen Pullover? Oder das angesagte Küchengerät? Er wolle andere weder belehren noch bekehren, aber dazu anregen, nach Möglichkeiten zu suchen, was man ändern kann. Die Kashanis haben allerdings eine Leidenschaft, die dem Umweltschutzgedanken etwas entgegensteht: das Reisen. „Manche sagen, wir würden zu viel fliegen“, so Dariush Kashani. „Wir wissen, dass es klimaschädlich ist, aber wir versuchen an so vielen Stellen, Dinge anders zu machen.“ Nein, ein schlechtes Gewissen hätten sie nicht. Vor Ort würden sie dann versuchen, wieder nachhaltiger zu leben. So wie zu Hause.

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