Düsseldorf Carmen Rahn – in 50 Jahren um die Welt

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Fotografin hat ihre künstlerischen Lebensimpressionen in einem Band zusammengefasst.

Carmen Rahns erstes Motiv war ein Heuschober. "Den fand ich damals einfach unheimlich spannend", rekapituliert sie lächelnd. Sie war etwa zehn Jahre alt, ihre Eltern hatten ihr gerade die erste Kamera geschenkt. Mit der zog Carmen los, die Welt zu entdecken. Heute kann die 77-Jährige mit Fug und Recht sagen, dass sie sie zur Genüge kennengelernt hat, die Welt. In genau 50 Jahren als professionelle Fotografin und Künstlerin ist Carmen Rahn in vielen Kulturen herumgekommen.

Ihre helle Wohnung in Grafenberg hängt voller Schwarzweißbilder, in den Ecken stehen alte Kameras auf hölzernen Stativen. In den letzten Jahren hat Carmen Rahn es sich zu Hause wieder gemütlicher gemacht. Seit 1970 lehrt die geborene Düsseldorferin Fotografie an der Fachhochschule Düsseldorf. Die pädagogische Arbeit mit den Studenten macht ihr nicht weniger Spaß als die Motive und das Ablichten selbst. "Am meisten lerne ich von den jungen Leuten, die nicht meiner Meinung sind, und umgekehrt", gibt sie zu. Carmen Rahn schätzt individuelle Perspektiven. Schließlich hatte sie selbst auch immer ihren eigenen Kopf.

Als sie volljährig wurde, lag der Weg der Fotografin klar vor ihr. Bis auf einen Ururonkel kein verbreiteter Beruf in der Familie. "Mein Vater, ein Diplomkaufmann, war nicht unbedingt dagegen, aber auch nicht gerade dafür. Meine Mutter stand da schon eher hinter mir", erzählt Carmen Rahn. Trotzdem setzte sie ihren Willen durch, machte 1963 das Staatsexamen an der Fachschule für Photographie in Köln und ergatterte gleich ihre erste Stelle als Fotografin bei einer archäologischen Expedition in der Türkei. Sie war dort die einzige arbeitende Frau weit und breit. "Die Herren wollten, dass ich für sie koche", sagt Frau Rahn lächelnd, "aber ich hatte schließlich zu arbeiten." Sie blättert in ihrem Fotobuch und zeigt auf eine Aufnahme. Sie balanciert mit ihrer Kamera hoch auf einer wackeligen Leiter, die unten von acht Männern gestützt wird. "So ist es dann stattdessen gekommen."

Am 2013 veröffentlichten Fotobuch "Carmen Rahn – Fotografien 1962–2012" hat sie zwei volle Jahre gesessen. "Ich wollte all meine Arbeiten einmal zusammenfassen, im Grunde damit auch mein Leben." Faszinierende Eindrücke aus Großbritannien, der Türkei, Israel, den USA, Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Griechenland, Frankreich, Italien. Carmen Rahn ging gern durch die Straßen und lichtete Menschen und Dinge ab, die sie fesselten. Die Gruppe lachender Frauen 1965 an Speaker's Corner in London. Die demonstrierende Jüdin in New York, 1973. Den Totengräber von Mouressi, 1980, der einen schmutzigen Schädel in der Hand hält. Das kleine Mädchen im karierten Kleid, das 1966 versucht, aus einem römischen Brunnen zu trinken.

"Mich interessieren an Fotos vor allem die Hintergründe. Details, die man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt", erklärt Carmen Rahn. Wie das kettenartige Geländer vor der Jerusalemer Klagemauer, das die Betenden einzusperren scheint. Oder die Traueranzeige für Churchill, 1965 absurd unpassend im Schaufenster eines Londoner Damenwäschegeschäfts drapiert.

Das letzte Buchkapitel hat Carmen Rahn Düsseldorf gewidmet. Sie will damit den Bogen ihrer Arbeit schließen: "Von der großen weiten Welt bin ich wieder nach Hause gekommen, mein Blickwinkel hat sich wieder verdichtet." Die letzten paar Fotos hat sie von ihrem Balkon aus auf eine Straßenlaterne gemacht. "Sehen Sie", sagt Carmen Rahn, "Schönheit gibt es überall."

(RP)
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