Düsseldorf Brücken zu den Musen

Düsseldorf · Düsseldorf hat sieben Rheinbrücken. Vier davon nutzen Autofahrer oft, um in die Innenstadt und vor allem zu den Kulturtempeln zu gelangen. Jedes der den Strom überspannenden Bauwerke zwischen Theodor-Heuss-Brücke und Südbrücke hat seine Eigenart, seinen Charme, seinen Eigensinn.

Wer vom Niederrhein mit dem Auto nach Düsseldorf und zu einem der Kulturtempel (sagen wir: zur Tonhalle) fährt, muss vor den linksrheinischen Autobahnkreuzen eine existenzielle Frage beantworten: Welche Brücke wählt er? Dem Autofahrer dienen sich vier hilfreiche Brücken an (Theodor Heuss, Oberkassel, Knie, Süd). Uns stellt sich die nicht minder aparte Frage: Welche Brücke wählt wer?

Die Theodor-Heuss-Brücke:

Die Unscheinbare. Wer sie befährt, gibt sein Ziel nicht vorschnell zu erkennen. Sie ist die Brücke für ein Chamäleon. Es könnte nach Essen wollen, zum Flughafen, zum Aquazoo, ins Eisstadion — aber zischt es hinter der Brücke rechts ab und fährt zum Rhein hinunter und auf der Cecilienallee entlang, steht es bald vor der Tonhalle. Potzblitz! Die Theodor-Heuss-Brücke selbst gewährt bedächtige Ausblicke zu allen Seiten (träge Schrebergärten, hummelhaft hereinbummelnde Flugzeuge, Arag-Hochhaus). Wer sich dieser Brücke hingibt, ist nicht nur ein Chamäleon, sondern neigt aus Erfahrung auch zum Retardieren. Er weiß, dass am Brückenkopf rechtsrheinisch gern geblitzt wird. Hier rast man nicht. Man reist komfortabel, ja mit einer gewissen Souveränität an. Der Konzertgenuss beginnt schon bei der Anfahrt.

Die Oberkasseler Brücke:

Der kurze, fast bescheidene Appendix eines Edelviertels. Sie erreicht man über ein historisches Ärgernis. Gleich nach der Abfahrt von der A 52 hinter dem Heerdter Dreieck wartet man mitunter Minuten an einer Ampel, die zu OB Erwins seligen Zeiten als Bollwerk (Pförtnerampel!) gegen die Überflutung der Stadt mit PKW installiert wurde. Eine Ampel, die Kafka hätte geplant haben können. Zeigt sie mal Grün, krempelt das Auto von selbst die Ärmel hoch, versucht es mit Gemütlichkeit, und tatsächlich kommt auf der Luegallee leise Lässigkeit auf, gemischt mit Spurenelementen von Schickimicki; leider oft auch Stop and Go und Zorn auf Zweite-Reihe-Parker. Die Oberkasseler Brücke tut sich dann überraschend unauffällig auf. Sie ist einfach da, und sie ist kurz, fast inadäquat kurz angesichts der erhebenden Anfahrt durch Oberkassel. Nach dem Überqueren wird die Brücke rechtsrheinisch indes fabelhaft gesäumt — links Tonhalle, rechts Kunstakademie. Wer hört es nicht, das bauliche Glockenläuten der Musen?

Kniebrücke:

Die Glamouröse. Auf der Kniebrücke explodiert optische Wirkung von jetzt auf gleich — in Attraktivität, Helligkeit, Wirkung. In der Tat ist der Ausblick auf die Stadt von dieser Brücke phänomenal, leider ist er zeitlich sehr begrenzt. Das hat mit dem Showfaktor der Kniebrücke zu tun und ihrer Neigung, Diva zu spielen. Will man zur Tonhalle, thront sie zwischen zwei Tunneln. Sie erzwingt Demut. Man muss sich ihr unterirdisch nähern und verlässt sie ebenso. Wer die Kniebrücke befährt, reist jedoch ökonomisch. Er meidet Ampeln, hat aber zu tun: Sonnenbrille auf, wieder ab, wieder auf, wieder ab, wieder auf. Dann steht er vor der Tonhalle. Leise hört er die Kniebrücke kichern.

Die Südbrücke:

Ausbund der Trägheit. Lange Anfahrt neben Neusser Giganttrabanten. Keine Skyline. Später Kappeshamm zur Linken, rechts von fern der Südfriedhof. Am Südring gesäumt von einem possierlichen Starenkasten. Wer die Südbrücke befährt, stammt aus ländlichen Zonen und will sich nicht schnell auf City-Impressionen einlassen; vom Hafen kriegt er nichts mit. Sein Düsseldorf kommt ihm geruhsam näher. Für dieses Gemächliche des Denkens und Fahrens ist die Südbrücke ideal. Manchmal gucken dem Autofahrer Leute aus der geschwisterlich mitgleitenden U-Bahn zu. Winkewinke. So ist die Südbrücke. Hier hat man Zeit, hier darf man sein. Zur Tonhalle? Trotzdem nur vier Minuten, durch einen spannenden langen Tunnel, der die Südbrücke leider neutralisiert.

(RP)
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