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Dormagen Nach Alkoholexzess nur noch Rot gesehen

Dormagen · Ein 16-Jähriger aus dem Raphaelshaus hat im Rausch vier Männer niedergeschlagen. Nun zeigt er bittere Reue.

 Hans Scholten (r.), Leiter des Raphaelshauses, und sein Stellvertreter Daniel Mastalerz im Gespräch mit Sven K. Sie zeigen ihm die Folgen des Alkoholexzesses auf. Sie halten an ihm fest, weil sie an seine Persönlichkeit glauben.

Hans Scholten (r.), Leiter des Raphaelshauses, und sein Stellvertreter Daniel Mastalerz im Gespräch mit Sven K. Sie zeigen ihm die Folgen des Alkoholexzesses auf. Sie halten an ihm fest, weil sie an seine Persönlichkeit glauben.

Foto: Lothar Berns

Ein brutaler Schläger sieht anders aus. Sven K. (Name von der Red. geändert) wirkt wie der unauffällige Junge von nebenan. Eher schmächtig in der Statur, ein wenig älter als seine 16 Jahre aussehend, mit Jeans und Sweatshirt bekleidet. Kaum zu glauben, was ihm vorgeworfen wird: Körperverletzung in vier Fällen, dazu Bedrohung. Gegen ihn wurde Strafantrag gestellt, ein Verfahren vor dem Jugendrichter steht an. "Alles stimmt", sagt Sven K., "soweit ich mich erinnern kann."

Mit leiser Stimme erzählt der 16-Jährige, der im Raphaelshaus lebt, eine Geschichte, die am vergangenen Wochenende passierte und von der er hoffte, dass sie sich so nicht zugetragen hat, als er am nächsten Morgen in einer Ausnüchterungszelle der Neusser Polizei aufwachte. Sven freute sich am vergangenen Samstag auf einen schönen Tag, den er mit Freunden aus dem Raphaelshaus verbringen wollte. Zuerst in Köln shoppen und abends ein wenig in Dormagen vor dem Lieblings-Imbiss abhängen und ein paar BierMix-Getränke konsumieren.

Aus einer Laune heraus greift er mittags zu einer Flasche hochprozentigen Kräuterlikör, die er sich vor Wochen besorgt hatte. "Zur Einstimmung" trinkt er ein, zwei Gläschen und packt die Flasche in seine Tasche für das Abendprogramm. Nach der Rückkehr aus Köln beginnt das Drama. Sein bester Kumpel ist mal kurz weg, da greift Sven zur Flasche. "Die habe ich in kurzer Zeit leer getrunken, dazu kamen die Mix-Getränke." Mit verheerenden Folgen.

"Mir wurde schwindelig, ich habe plötzlich nur noch die Lichter des Kiosk erkannt, die Gesichter verschwommen gesehen." Sein Kumpel spürt die wachsende Aggressivität und bringt Sven zurück in die Einrichtung. Dort muss sich Sven übergeben, er beginnt zu randalieren, bedroht die zuständige Pädagogin, ist kaum zu bändigen, fällt immer wieder hin. Der stellvertretende Einrichtungsleiter Daniel Mastalerz ruft den Notarzt. "Zu dem Zeitpunkt bin ich nicht von Alkohol als Ursache ausgegangen, so heftig war es." Im Kreiskrankenhaus erhält er eine Infusion und wird auf ein Zimmer gebracht. Die Lage scheint sich beruhigt zu haben. Doch Sven steht auf, reißt sich die Infusion aus dem Arm und wankt zum Ausgang.

Dort stehen noch die beiden Rettungssanitäter, die ihn dorthin gebracht haben. Er schlägt beide nieder. "Ich weiß nicht warum." Dann läuft er, nur mit Sweatshirt und Unterhose bekleidet, barfuß durch den Schnee. "Ich wusste überhaupt nicht, wo ich war, was los war." Ein Ehepaar (72 und 70) sieht den Jungen im Scheinwerferlicht, hält an und nimmt ihn mit zum Raphaelshaus. Dort angekommen, schlägt der 16-Jährige auch den Senior zu Boden und will die Beifahrerin aus dem Auto zerren.

Auch Daniel Mastalerz, der eingreift, bekommt einen Hieb des außer Rand und Band agierenden Jugendlichen ab. Sven läuft dann weiter zur B 9. "Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich plötzlich blaue Lichter sah." Die Polizei. Beamte legen ihm Handschellen an.

"Völliger Kontrollverlust unter Alkohol", konstatiert Hans Scholten, Leiter des Raphaelshauses. "Eine paranoide Reaktion, alles um ihn herum waren offenbar nur noch Bedrohungssituationen." Der erfahrene Pädagoge bricht nicht den Stab über den Jugendlichen. Im Gegenteil: "Das ist ein Junge mit einer guten Persönlichkeit. Der steht für die Vorkommnisse gerade, auch für die Konsequenzen, die folgen. Wir wollen den Schaden gut machen, wie auch immer das geht." Die Mutter von Sven hat bereits den Senior im Krankenhaus besucht, Sven selbst hat sich gestern bei einem der beiden Sanitäter entschuldigt.

Er brachte eine CD und die Lieblingsschokolade des Helfers mit. "Er hat mir am Ende die Hand gegeben." Nächste Woche wird er mit dem zweiten Sanitäter sprechen. "Es tut mir leid. Ich bin total sauer auf mich. Denn eigentlich bin ich nicht so."

(NGZ/rl/url/jco/top)
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