Buchempfehlung Antonio Vivaldi und seine Töchter

Auf den Spuren Vivaldis in Venedig

 Ronald Schneider empfiehlt heute eine besondere Lektüre.

Ronald Schneider empfiehlt heute eine besondere Lektüre.

Foto: DPA / Wolfgang Weinh‰upl

Der 1940 in Lübeck geborene Schriftsteller Peter Schneider gilt, seit er 1973 mit seiner ersten Erzählung „Lenz“ eines der Kultbücher der 70er Jahre geschrieben hatte, als der Chronist der 68er-Generation. In vergangenen Jahren hat er sich aber auch zu einem vielseitigen Romancier und kultivierten Erzähler weiterentwickelt, der den RP-Lesern zuletzt 2013 mit dem autobiographischen Roman „Die Lieben meiner Mutter“ vorgestellt wurde. In seinem neuesten Roman porträtiert Peter Schneider den heute mit Abstand beliebtesten Komponisten der Barockzeit: Antonio Vivaldi (1678-1741). Dabei verknüpft er auf überzeugende Weise erzählerische Passagen und fiktive Szenen mit einer spannenden Dokumentation seiner umfangreichen Recherchen zu Vivaldi und seiner Reisen zu den Schauplätzen des Romans.

Im Mittelpunkt des Romans steht Vivaldis Arbeit in einem frommen Waisenhaus für Mädchen in Venedig, wo er lange Jahre als Musiklehrer und Konzertmeister engagiert war und wo er das erste Frauenorchester Europas aufbaute und leitete. Mit diesen seinen „Töchtern“ und mit seinen eigenen Kompositionen wurde Vivaldi weit über Venedig hinaus berühmt. Und er fand in einer seiner „Töchter“, in Anna Giró, seine langjährige Star-Sopranistin und möglicher Weise auch seine Gelliebte.

Der Roman schildert aber auch die quälenden Konflikte Vivaldis zwischen den Aufgaben seines Priesteramtes und seinen vielseitigen Aktivitäten als Musiker, Dirigent und Impresario. In seinen letzten Lebensjahren beginnt der Ruhm Vivaldis zu verblassen, er muss aus Venedig fliehen und stirbt verarmt in Wien. Fast 200 Jahre bleibt sein Werk völlig vergessen – bis ein Zufallsfund 1926 einige seine Partituren ans Licht bringt, und seine Musik wieder populär zu werden beginnt – auch das ist im Roman Peter Schneiders spannend erzählt. Der gründlich recherchierte biografische Roman lädt seinen Leser auch zu einer farbigen Zeitreise ins Venedig des frühen 18. Jahrhunderts ein und überzeugt auch hier durch viele treffende Anekdoten und ein authentisch wirkendes Zeitkolorit. Für Liebhaber der Musik Vivaldis ein Muss, aber auch für nicht Musik-affine Leser eine genussreiche und anregende Lektüre.

Peter Schneider: Vivaldi und seine Töchter. Roman, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2019

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