Die Notdienst-Praxis am Krankenhaus Dinslakener Modell als Vorbild für Wesel?

Dinslaken/Wesel · Die Notdienst-Praxis von Hausärzten im St.-Vinzenz-Hospital verwirklicht im Prinzip, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für ganz Deutschland anregt. Offenbar sind alle damit glücklich – aber in Wesel gibt es Vorbehalte.

 Wer abends oder am Wochenende medizinische Probleme hat, ist oft beim Notdienst richtig aufgehoben, nicht in der Ambulanz des Krankenhauses.

Wer abends oder am Wochenende medizinische Probleme hat, ist oft beim Notdienst richtig aufgehoben, nicht in der Ambulanz des Krankenhauses.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

In einem Notfall muss es schnell gehen. Minuten entscheiden über Leben und Tod. Ein Riesenproblem für die Notaufnahmen in Krankenhäusern: Immer mehr werden sie nachts oder an Wochenenden Anlaufstelle für Menschen, die eigentlich keine „Notfälle“ sind, sondern sich mit Krankheiten plagen, für die der Hausarzt die richtige Anlaufstelle wäre.

Seit gut einem Vierteljahr, seit dem 1. Oktober, gibt es für Dinslaken, Voerde und Hünxe eine zentrale Anlaufstelle: die hausärztliche Notdienst-Praxis unter dem Dach des St.-Vinzenz-Hospitals. Wer zu Notdienst-Zeiten Hilfe braucht, kann sich seitdem immer zum Krankenhaus aufmachen. Dort kommen alle Patienten zunächst zur zentralen Notaufnahme, wo geklärt wird, wie ernst die Lage ist. Wer beim Hausarzt richtig ist, wird direkt an die Notdienst-Praxis „weitergereicht“. Darin hat immer ein niedergelassener Arzt aus der Region Dienst.

Die Krankenhaus-Ärzte in der Notaufnahme des Hospitals seien seit der Gründung der Praxis enorm entlastet, sagt der Arzt Michael Busko, stellvertretender Leiter der zentralen Notaufnahme. „Es sind an einem normalen Wochenend-Tag 50 bis 60 Patienten weniger, die von den Kollegen versorgt werden müssen“, überschlägt er. Das gibt dem Personal etwas Luft.

Aber auch die Notfall-Patienten profitieren, erklärt Busko weiter. In dem Haus wurden und werden Patienten bei der Ankunft immer schon nach dem sogenannten „Manchester-Triage-Verfahren“ eingeteilt. Stufe „Rot“ heißt: Lebensgefahr, sofortige Behandlung. Orange: sehr dringende Behandlung, Gelb: dringend, Grün: normal und Blau: nicht dringend.

Das heißt: Die richtig ernsten Fälle kamen auch früher schon sofort dran. Aber Patienten, die zwar im Krankenhaus richtig aufgehoben waren, deren Lage aber nicht gleich ganz so dramatisch war, mussten bei insgesamt größerem Andrang in der Vergangenheit doch länger warten. Die Menschen scheinen zu bemerken, dass sich da etwas verändert hat: „Auch da gibt es wirklich positive Resonanz. Viele Patienten sprechen uns darauf an“, sagt Busko.

Erst recht gilt das nun für die Patienten, die in die notärztliche Praxis gehören. „Wenn wir mit echten Notfällen überflutet werden – was schon mal vorkommt – haben die hier früher fünf, sechs Stunden gewartet. Das kommt nicht mehr vor“, stellt Busko fest. Dennoch sei aber das Angebot des Krankenhauses bei Bedarf auf kurzem Wege erreichbar, unter dem selben Dach: „Da kann auch ein Weiterverweisung erfolgen zum Röntgen oder zum Ultraschall.“

Seine Erfahrung: Das neue System scheint wirklich alle Seiten glücklich zu machen. Die Reaktionen seien „durchweg positiv“. Auch seitens der Hausärzte, die sich in der Notdienst-Praxis abwechseln, gebe es „keinen prinzipiellen Widerstand oder Kritik“.

Den Grundgedanken nach verwirklicht die Dinslakener Lösung schon in weiten Teilen das Prinzip der „Integrierten Notfallzentren“, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für eine deutschlandweite Reform der Notfallversorgung vorschweben: Zentrale Anlaufstellen an Krankenhäusern, in denen Patienten nach Dringlichkeit ihres Falls „sortiert“ und versorgt werden.

Matthias Ruß, Sprecher des Vinzens-Hospitals, glaubt, dass die guten Erfahrungen, die man in Dinslaken gerade macht, andere Städte in der Region ermutigen könnten. In Wesel beispielsweise wurde das Modell schon diskutiert – bislang ist aber nichts daraus geworden. Denn: Das System muss nach derzeitiger Regelung von den niedergelassenen Medizinern getragen werden. „In Wesel gibt es einige Kollegen, die das nicht wollen“, erklärt Michael Weyer, Vorsitzender der Weseler Kreis­stelle der Kassenärztlichen Vereinigung. So bevorzugten die Kritiker beispielsweise den Dienst in der eigenen Praxis mit eigenem Personal, könnten dort auch Leerläufe im Tagesverlauf besser nutzen.

Außerdem kostet der Unterhalt der gemeinsamen Notdienstpraxis Geld. Pro beteiligtem „Arztsitz“ sind das in Dinslaken ungefähr 160 Euro pro Quartal, also etwa 640 Euro im Jahr. Umgekehrt sei die Arbeit im Notdienst relativ schlecht bezahlt, führt Weyer aus. Das heißt: Ärztinnen und Ärzte bekommen weniger Geld und müssen für die Praxis dann noch extra zahlen – das schreckt manche ab.

Ein paar Hundert Meter entfernt vom katholischen Vinzenz-Hospital liegt in Dinslaken das Evangelische Krankenhaus. Dort heißt es, es seien seit der Gründung der Notdienst-Praxis keine Effekte spürbar. „Wir haben keinen merklichen Rückgang der ambulanten Fallzahlen seit Oktober erfahren“, stellt Hagen Fleischmann von der Einrichtung fest. Allerdings erlebe man ohnehin generell keine Probleme mit allzu vielen Leuten, die ohne triftigen Grund in der Notaufnahme auftauchen. „Klar sind mal Patienten mit Schnupfen und Heiserkeit dabei“, so Fleischmann. „Aber das ist für uns kein Problem, die können wir dann auch behandeln.“

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