Düsseldorf Letzte Instanz im Behördendschungel

Düsseldorf · 5650 Eingaben erreichen den Petitionsausschuss im vergangenen Jahr – etwa jede dritte war erfolgreich. Das Gremium des Landtages ist für Bürger oft der letzte Ausweg bei Anliegen, mit denen sie bei Behörden gescheitert sind.

 Für Landtagspräsident André Kuper ist der Petitionsausschuss ein Ohr der Demokratie.

Für Landtagspräsident André Kuper ist der Petitionsausschuss ein Ohr der Demokratie.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Gut integrierte Ausländer, die plötzlich abgeschoben werden sollen.  Schulen, die dringend neue Klassenräume brauchen. Oder Beamte, die von ihren Ehepartnern gestalkt werden und erfolglos um eine Versetzung in einen anderen Landesteil bitten: Der Petitionsausschuss des Landtages ist die letzte Instanz für alle Bürger, die sich auf dem formalen Behördenweg nicht durchsetzen können. Knapp 3000 Eingaben haben das überparteilich besetzte Gremium in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres erreicht, im Gesamtjahr 2018 waren es 5650 Eingaben, wie aus dem jüngsten Bericht des Ausschusses hervorgeht.

Wie die Landtagsverwaltung auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, wurden von den 6375 seit Mitte 2017 abgeschlossenen Verfahren mehr als ein Drittel (36,8 Prozent) zugunsten der Antragsteller (formal „Petitenten“ genannt) entschieden. Das bedeutet: Aus Sicht der Beschwerdeführer hat sich die Eingabe bei dem Petitionsausschuss in mehr als jedem dritten Fall gelohnt.

Damit war die Erfolgsquote geringfügig höher als im  langfristigen Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2016, der bei 32,9 Prozent lag. „Inhaltliche Schwerpunkte sind seit vielen Jahren das Sozialrecht und die Bereiche Wohnen, Bauen, Umwelt und Verkehr sowie zuletzt das Ausländerrecht“, heißt es in der Landtagsverwaltung.

Die nüchternen Zahlen lenken von den teilweise dramatischen Einzelschicksalen ab, mit denen der Ausschuss sich beschäftigt. So trat jüngst ein Koch aus Sri Lanka vor das Gremium, der sich nach Angaben des Ausschusses noch nie etwas hat zu Schulden kommen lassen, gut deutsch sprach und seinen Lebensunterhalt in einer ländlichen Gastronomie schon lange selbst verdient. Er sollte abgeschoben werden, weil die Behörden an seinen Deutschkenntnissen zweifelten - er hatte dafür noch kein Zertifikat vorgelegt. Beim Erörterungstermin stellte sich schnell das Gegenteil heraus und der Ausschuss erwirkte, dass die Behörden auf die Abschiebung verzichteten.

Eine Beamtin aus dem Rheinland wollte nach Westfalen versetzt werden, weil sie sich von Ihrem Ehemann bedroht fühlte. Ihre Vorgesetzten lehnten ab. Bei einem Erörterungstermin überzeugte der Petitionsausschuss sich von der besonderen Dramatik des Falls, der „bereits im Bereich des Stalkings“ lag, wie es in den Unterlagen heißt. Am Ende stimmte die zuständige Behörde nach einer Revision des Falls der Versetzung doch noch zu.

Die Arbeit des Petitionsausschusses ist immer auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen. Standen in den 1950-er Jahren noch Kriegsfolgen wie Armut, Wohnungsnot und Klagen über Bezugsmarken für Kohle und Lebensmittel im Vordergrund, ging es in den 1960-er Jahren häufig um Anträge von ialienischen Gastarbeitern auf Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft. In den 1970-er Jahren mehrten sich Petitionen aus dem Bereich Umweltschutz und in den 1980-ern aufgrund steigender Arbeitslosigkeit die Eingaben aus dem Sozialbereich. Die 1990-er waren geprägt durch die Reform der Pflegeversicherung und Petitionen von Flüchtlingen der Balkankriege.

Landtagspräsident André Kuper (CDU) bewertet den Petitionsausschuss so: „Die Arbeit des Petitionsausschusses zeigt die einzigartige Stärke der parlamentarischen Demokratie: Zuhören, was die Bürger bewegt. Kümmern, Probleme lösen, Gesetze verbessern.“

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