Emmerich Fungarden-Prozess: Prostituierte mit drei Pässen

Emmerich · Aus Kiew kam die 24-jährige Ala M. ein zweites Mal nach Kleve, um vor Gericht über ihre Tätigkeit im Emmericher Bordell "Fungarden" zu berichten. Das, was sie Ende November erzählt hatte, war schockierend gewesen.

Razzia in Bordellen in Emmerich
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Unter anderem war von einer hastig erfolgten Abtreibung die Rede gewesen, vom strengen Willkürregiment der beiden jetzt angeklagten Bordellbetreiber, Esed D. (53) und Olga G. (40), von gefälschten Dokumenten und roher Gewalt. Doch einen Punkt hatte Ala M., obwohl ihre Vernehmung mehr als drei Stunden dauerte, ausgeklammert: Im Jahr 2010, drei Jahre nach ihrer ersten Beschäftigung in dem Saunaclub, kam sie erneut an den Niederrhein, um im "Fungarden" zu arbeiten. Wie das, wenn doch alles so schrecklich war?

Freitag unternahm die Frau den Versuch, diesen Widerspruch aufzuklären. Bei ihrem zweiten Engagement habe sie eigentlich nur tanzen wollen, sich dann allerdings zu weitergehenden Tätigkeiten überreden lassen. Ihr Geliebter Ali E. war stiller Teilhaber des Betriebs.

Interessant wurde es, als sie auspackte — und zwar im Wortsinne. In ihrer Handtasche hatte sie nicht nur Dokumente zu ihrer damals in Holland vorgenommenen Abtreibung, sondern neben ihrem echten auch zwei gefälschte Ausweise. Wie sie an diese Dokumente kam? Olga habe ihr gesagt, dass sie mit ihrem ukrainischen Pass nicht in Deutschland arbeiten könne, und sich mit dem Schleuser in Verbindung gesetzt. Der besorgte für Ala einen estnischen Pass.

Wenige Monate später sei ihr gesagt worden, dass sie wieder einen neuen Pass benötige. Diesmal habe sie für 2500 Euro tschechische Papiere bekommen. Die Kosten für beide Fälschungen habe sie in dem Bordell abarbeiten müssen. Als das Gericht die beiden Pässe zu den Akten nehmen wollte, sagte die Zeugin mit einem Anflug von Sarkasmus: "Das war das Teuerste, was ich in Deutschland gekauft habe."

Als Ala M. ihre Schulden getilgt hatte, nahm sie im "Fungarden" offenbar eine Sonderrolle ein. Sie habe einen vermögenden niederländischen Schönheitschirurgen als Stammkunden gehabt und habe deshalb nur einmal in der Woche gearbeitet. "Ich musste nicht mehr mit jedem schlafen", sagte sie. "Ich hatte meine Schulden ja abbezahlt."

Ala M. wiederholte auch ihre Vorwürfe, was die Umgangsformen in dem Etablissement angeht. Die beiden Angeklagten hätten Kokain genommen und seien dann völlig unberechenbar gewesen.

Schon zuvor hatten Esed D. und Olga G. die Ausführungen der Frau mit Kopfschütteln und höhnischem Lachen quittiert, doch angesichts dieser Äußerungen riss bei Esed D. der Geduldsfaden: "Ich kann so etwas nicht hören. Das ist nicht zu glauben!"

Möglicherweise liegt es am Auftritt dieser wohl wichtigsten Zeugin der Anklage, dass der g13. Verhandlungstag auch einen Wendepunkt in der Verteidigung darstellt. Jedenfalls gab Michael Bonn, einer der drei Anwälte in Diensten von Esed D., bekannt, dass dieser am übernächsten Verhandlungstag, dem 22. Februar, aussagen werde.

Am kommenden Prozesstag, Dienstag, 13. Februar, haben zunächst Finanzexperten das Wort. Es wird um Berechnungen zu hinterzogenen Sozialversicherungsabgaben und Steuern gehen.

(dau)
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