Mit Europas schönster Mittelgebirgsbahn an den Bodensee Rendezvous im Stundentakt

Sie ist schön, kurvenreich, und sie geizt nicht mit ihren Reizen. In diesem Jahr feiert sie 150. Geburtstag. Happy Birthday, Schwarzwaldbahn!

 Mit dem Schwarzwaldexpress an den Bodensee. Die Berg- und Talfahrt ist eine der schönsten Bahnreisen in Deutschland. 

Mit dem Schwarzwaldexpress an den Bodensee. Die Berg- und Talfahrt ist eine der schönsten Bahnreisen in Deutschland. 

Foto: Manfred Lädtke

Gäbe es einen deutschen Bahnstrecken-Contest, bei Eisenbahnfreunden rangierte sie ganz oben auf der Favoriten­skala. Schon 1838 gab es erste Überlegungen für einen neuen Streckenbau weil Sommerfrischler und Wintertouristen den Schwarzwald als Urlausdomizil entdeckten. Ferienfreuden waren damals auf der alten Trasse aber nur mit zeitraubenden Umwegen erreichbar.

250 Kilometer lang ist heute der Schienenparcours der Schwarzwaldbahn von Karlsruhe bis Konstanz, bietet drei Stunden spektakuläre Aussichten, bezaubernde Ansichten und immer wieder Gelegenheit, die Fahrt zu unterbrechen. Von Karlsruhe aus geht es im Stundentakt buchstäblich durch Berg und Tal. Zwar gibt es die Schwarzwaldbahn seit 150 Jahren, Panoramawagen rollen aber erst seit 2008 durch die insgesamt 39 Tunnel.

Urlauber, die ihre Reise am Wochenende beginnen, sollten einen Zug zwischen sieben und zehn Uhr nehmen. Wenn die Sonne über die sanften Hügel des Badnerlands blinzelt, sind viele Plätze noch frei und die Fahrt im Lichtspiel des Morgens ist zum Halsverrenken schön. Gut, die ersten 45 Minuten sind flach und ohne Höhepunkte. Die darf der Bahntourist getrost verschlafen. Ab Offenburg aber bitte hellwach sein. Dunkle Bergkämme kratzen am blauen Himmel, sattgrüne Täler breiten sich wie in Bilderbüchern vor dem Fenster aus. Rauschende Wildbäche fliegen vorbei und stattliche Schwarzwaldhöfe wetteifern mit blumengeschmückten Balkons. Hier ein verträumtes Dörfchen, dort eine klappernde Mühle. Wo ist der nächste Halt?

Ein erster Stopp und Gelegenheit, die badische Küche zu schmecken, bietet das Kinzigtal im Fachwerkstädtchen Gengenbach. Oder erst einmal die frische Luft atmen? Hier lässt sich nämlich Schwarzwaldidylle auf Fernwanderwegen bis zu den Gipfeln des fast 900 Meter hohen Moosgebirges erwandern und „erfahren“.

In Haslach empfiehlt sich eine Fahrtunterbrechung, um in die Unterwelt aus Stollen und Schächten der ehemaligen Silbergrube „Segen Gottes“ hinab zu steigen oder die Schuhe für eine Wanderung durch das Schuttertal mit seinen markanten Aussichtspunkten zu schnüren. Oder Hausach. Dort bringen Lokalbahn und Bus Reisende in zehn Minuten nach Gutach, wo der Schwarzwaldexpress im Maßstab 1:87 rollt. Auf fast 400 Quadratmetern sind in einer Halle Landschaft und Originalstrecke der Schwarzwaldbahn mit rund 40 Minizügen nachgebaut. Ein Stück weiter haben imposante Höfe, alte Wohnstuben und Scheunen des Vogtsbauernhofs geöffnet. Bäckerinnen und Holzschnitzerinnen lassen sich in dem Freilichtmuseum über die Schulter blicken und Stickerinnen zeigen, wie die Bollen auf den Schwarzwaldhut kommen. Dann mahnt ein Blick auf die Uhr zum Aufbruch.

Hinter Hausach beginnt mit einem 40 Kilometer langen und 590 Meter hohen Aufstieg bis St. Georgen auf zwei Kehrschleifen die eigentliche Kletterpartie der Bahn. Viele Tunnel, aber wenige Brücken. Oft windet sich der Regio-Express an Hängen entlang und klebt regelrecht am Berg. So konnte Eisenbahnbauer Robert Gerwig auf Brücken verzichten. Der geniale Ingenieur überlistete nicht nur die komplexe widerspenstige Landschaft des Schwarzwaldes, sondern schützte die Waggons auch vor Steinschlag, Schnee und Lawinen. Zehn Jahre bis 1873 war der ideenreiche Planer an dem Meisterwerk der Ingenieurbaukunst aktiv, das schließlich den Schwarzwald industriell erschlossen hat. Zuvor waren kuschelige versteckte Dörfer nur mit Kutschen und Pferdewagen erreichbar.

„Hornberg“ kündigt der Monitor im Abteil an, als die Bahn Hausach verlässt. In Hornberg, wo das berühmte Schießen bei großem Aufwand wenig Wirkung erzielte, balanciert der Zug hoch über den Hausdächern der Stadt auf einem 150 Meter langen Viadukt den ausladenden Kehrschleifen entgegen. Die Bahn fährt Ringelreihen, was eben noch vorne war, ist jetzt hinten. Viel zu erleben gibt es auch im tiefsten Schwarzwald in Triberg, wo über sieben Kaskaden Deutschlands höchste Wasserfälle 160 Meter ins Tal stürzen, die größte und die kleinste Kuckucksuhr der Welt schlagen und das Schwarzwaldmuseum mit alten Musikautomaten die gute alte Zeit zum Klingen bringt. In St. Georgen erreichen Fahrgäste 805 Meter über dem Meeresspiegel den Scheitelpunkt ihrer Reise. Jetzt geht es wieder abwärts. Schnurstracks an den Bodensee, oder mit Zwischenstopp zu einem weiteren Höhepunkt der „Engen“ heißt. Die denkmalgeschützte Altstadt des hübschen Städtchens mit seinen buckligen Gassen und schiefen bunten Häusern ist eines der besterhaltenen Stadtensembles in Süddeutschland. Wie im Mittelalter sprudeln zahlreiche Brunnen mit ihren „erzählenden“ Skulpturen.

Zug um Zug nähert sich die Bahn jetzt ihrem Ziel. Vor Radolfzell schweift der Blick über den Zeller See, dann drosselt der Schwarzwald-Express das Tempo. Endstation Konstanz. Von der Rheinbrücke blicken Passagiere auf die Panoramakulisse des Bodensees. Das „Schwäbische Meer“ glitzert und funkelt in der Mittagssonne. Um der ehemaligen Bischofs- und Reichsstadt jenseits von Antike und Moderne auf die Spuren zu kommen, nehmen ein „Hurenwirt“ oder eine „Hübschlerin“ Besucher mit auf einen Stadtrundgang ins verruchte Mittelalter. Gäste erfahren anrüchige Geschichten und Skurriles aus der Zeit des Konzils. Wurde in Konstanz gar der Rosenkranz erfunden, und ging wie man mit Fleischeslust, Hexen und Zauberei um?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort