Wildkräuter bereichern die Küche Natur als Schatzkiste

Düsseldorf · Als Tee, Salat oder als Salbe: Wildkräuter wie Kleiner Wiesenknopf, Beinwell oder Gundermann erobern sich frisch, gegart, als Deko oder als Hauptdarsteller wieder ihren Platz in der Küche.

 Grün vom Wegesrand kann viele Gerichte aufpeppen.

Grün vom Wegesrand kann viele Gerichte aufpeppen.

Foto: imago/Westend61/imago stock&people

Von Köstlichkeiten am Wegesrand – Wiese, Wald und Feldrain – spricht Celia Nentwig, wenn sie die Umsonst-und-draußen-Küche meint. Die staatlich zertifizierte Kräuterpädagogin und Buchautorin kennt nicht nur die essbaren und schmackhaftesten Wildpflanzen. Sie weiß auch, in welchen Gerichten sie am besten zur Geltung kommen. Bei ihren Exkursionen zwischen Wupper, Rhein und Ahr will sie erreichen, „dass unsere Wildpflanzen bewusster wahrgenommen werden“, sagt die Düsseldorferin. „Denn manches, was auf der Wiese zu finden ist, wird viel zu oft geringschätzig als Unkraut bezeichnet. Dabei lassen sich daraus aromatische Genüsse zubereiten.“ Zum Beispiel: eine Hagebutten-Kürbis-Quiche oder ein Fichtenspitzen-Risotto.

So wie Celia Nentwig machen sich immer mehr Hobby- und Spitzenköche auf, um Kräuter am Wegesrand und auf der Wiese zu sammeln. Wobei das Wichtigste am Sammeln ist, dass man die Wildpflanzen sicher erkennt. Einer, der seit Jahren den Gästen zeigt, was in seinem Bauerngarten in Morsum alles an Kräuterschätzen gedeiht, was die Pflanzen alles können, wie sie schmecken, ist Johannes King. Der Zwei-Sternekoch im „Söl´ring Hof“ auf Sylt ist einer der Pioniere, der schon früh erkannt hat, dass das wilde Grünzeug mehr als eine verschämte Tellerranddekoration ist, sondern vielmehr ein wertvoller Aromabringer.

Für den Kräuterexperten aus dem hohen Norden sind die Salzwiesengewächse direkt vor seiner Haustür ein echtes Paradies und eine Inspirationsquelle für die Sterneküche. Dort finden sich Salzwiesenkoriander genauso wie Queller (auch Meeresspargel genannt), Strandwermut oder Strandwegerich. „Gerne stelle ich diese Kräuter auch einfach zum Naschen auf den Tisch – so schmeckt bei uns das Wattenmeer“, sagt King. Strandportulak, Salzmiere und Sauerampfer sind in seiner Küche Begleiter für Herzkirschen, dunkle Schokolade und Karamell, passen aber auch als Püree perfekt zu kleinen Tintenfischen aus der Nordsee.

Was gemeinhin als Unkräuter mit Stiel und Stumpf aus dem Garten rausgerissen wird, der Biobauer aber nicht umsonst Beikraut nennt, wird zur Beilage und ist inzwischen mehr als eine Trendspielerei auf dem Teller. Nils Henkel, der früher auf Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach gekocht hat und nun im Rheingau im Schwarzenstein am Herd steht, hat die „Pure Nature“- Küche entwickelt. Er spielt mit unterschiedlichen Texturen und aromatischen Überraschungen und widmet jahreszeitlichen Kräutern und Gemüsen ganz besondere Aufmerksamkeit. Dabei stehen oft alte Gemüsesorten und wilde Kräuter aus der Region als Hauptdarsteller im Mittelpunkt. So war Vogelmiere lange als hartnäckiges Unkraut verpönt. Henkel jedoch findet, dass die grünen Blätter nach jungem Mais schmecken. Holunder beispielsweise kommt bei ihm sowohl als Blüte, unreife Beere und reife Frucht zum Einsatz. Die Blüten haben ein süßlich-duftiges Aroma und werden zu Essenz verarbeitet. Die grünen Beeren enthalten giftige Substanzen und müssen unbedingt gekocht werden. Die reifen Beeren passen sehr gut zu Wild und Wildgeflügel.

Im Fichtelgebirge haben sich neuerdings ein Dutzend Köche, Bäcker und eine Destillerie (dort wird Bärwurz-Geist gebrannt) zum Verein unter dem Namen „Essbares Fichtelgebirge“ zusammengetan: Dort, wo es rund 1000 verschiedene Wildkräuter gibt, machen sie aus Kräutern wie Giersch, Bärwurz oder Hirschholunder fränkische Kartoffelpralinen, Hirschholunderkonfekt oder Wiesenkräutersalat. Außerdem bildet der Verein Gastronomen zu Kräuterexperten aus, die mit den hiesigen Wildkräutern wie Spitzwegerich, Pimpernelle, Wiesenschaumkraut oder Brennnesseln kulinarische Köstlichkeiten zaubern. Während der Ausbildung zum zertifizierten Wildkräuterkoch lernen die Teilnehmer auch die Inhaltsstoffe der regionalen, essbaren Kräuter kennen.

In der heimischen Küche tüftelt derweil Celia Nentwig neue Rezepte aus, die sie unter dem Titel „Wildpflanzen – Genuss pur“ in ihrem inzwischen dritten Buch veröffentlicht hat. Dabei beschränkt sich die Expertin nicht auf Rezepte, sondern erklärt, wie die Kräuter, ihre Blätter, Blüten und Früchte aussehen, wo man sie am besten zu welcher Jahreszeit findet und wie sich zu Gemüse, Desserts, Suppen oder Snacks verarbeiten lassen. So werden Brennnessel zu Pesto oder aus Kornelkirschen eine Marmelade mit Birnen.

Einen Tipp zum nachhaltigen Sammeln hat sie auch parat: So weit weg wie möglich von Verkehr und Viehweiden pflücken und immer nur so viel, wie für den Eigenbedarf benötigt wird. Niemals den Fundort gänzlich abernten und so das Fortbestehen der Pflanzen sichern.

Rezepte
Ausgebackene Brennnesselblätter

Zutaten für 4 Personen: 125 g Dinkelmehl, 250 ml helles Bier, 1 Ei, getrennt, 1 El Olivenöl, 1 Bio-Zitrone (abgeriebene Schale), ½ Tl Salz, Palmfett, Küchenpapier, Blätter von Brennnesseln

Zubereitung Mehl, Bier, Eigelb und Öl zu einem glatten Teig verrühren, mit Zitronenschale und Salz abschmecken. 30 Minuten quellen lassen, Eiweiß steif schlagen und unter den Teig ziehen. Blätter waschen und trocken schleudern, durch den Teig ziehen und in reichlich Fett von beiden Seiten goldgelb ausbacken. Fertige Blätter auf Küchenpapier legen, damit etwas Fett aufgesogen wird. Dazu Kräuterdip reichen.

Übrigens: Brennnessel gelten als echte Nährstoffbombe, reich an Vitamin C und Mineralien.

Fünf-Kräuter-Trunk mit Gundermann

Zutaten für 2 Personen: Saft von 2 Orangen, Saft von 1 Zitrone, 1 Apfel, in Stücke geschnitten, 1 Kiwi, geschält in Stücke geschnitten und pro Glas eine Scheibe beiseite legen, Honig, 2 Handvoll Kräuter: Gundermann, Sauerampfer, Löwenzahn, Minze, Zitronenmelisse

Zubereitung Kräuter waschen, trocken schleudern und klein schneiden. Dann alle Zutaten im Mixer fein pürieren, mit Honig abschmecken. Leicht gekühlt in Gläsern mit frischen Blättern einem Kiwischeibchen dekoriert servieren.

Die Rezepte sind dem Buch „Wildpflanzen – Genuss pur!“ von Celia Nentwig und Hella Henckel entnommen, es ist erschienen im Bloom’s Verlag.

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