Was Ärzte Schläfern empfehlen Weg mit den ungesunden Kopfkissen!

Düsseldorf · Nacken- und Rückenschmerzen werden nicht selten durch falsche Kopfkissen im Bett ausgelöst. Wir haben Experten gefragt – und überraschende Tipps bekommen.

Im spanischen Valencia sind Kissenschlachten ein beliebtes Ritual. Viele trennen sich dabei aber auch von alten Modellen.

Im spanischen Valencia sind Kissenschlachten ein beliebtes Ritual. Viele trennen sich dabei aber auch von alten Modellen.

Foto: Joaquin Corbalan / istock

Denkt man im Traum nicht dran: Wie ungesund manche Leute schlafen! Bei dem einen steht der Kopf durch sein Monsterkopfkissen – einen fetten, unnachgiebigen Wulst – schräg nach oben; Winkelgröße geschätzt knapp 40 Grad. Bei der anderen knickt der Kopf krass nach unten ab, denn das Kopfkissen ist längst keines mehr, sondern gleicht einer Flunder ohne Gräten. Bei dem dritten ist alles auf den ersten Blick okay, aber die Schulter steht zu hoch, weil die Matratze sich hartnäckig weigert nachzugeben.

Und irgendwann gehen diese Leute zum Orthopäden. Sie jammern über Schmerzen in der Schulter, im Nacken, im Kopf, im Rücken, in der Halswirbelsäule. Bei der Spurensuche wird womöglich ein Röntgenbild gemacht, auf dem man ja immer irgendetwas entdeckt – und schließlich legt eine Physiotherapeutin Hand an. Ein bisschen wird es auch besser.

Aber dass sich die Wurzel allen Übels über viele Jahre in den sieben Stunden eingräbt, die der Mensch nachts schlafend im Bett verbringt – darauf kommen die wenigsten. Dabei müsste genau das ein Arzt seinen Patienten fragen: Wie schlafen Sie überhaupt? Stimmt die Matratze? Stimmt das Kopfkissen? Stimmt der Lattenrost? Und harmonieren alle drei miteinander?

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Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Viola Bullmann ist Chefärztin am Wirbelsäulenzentrum des St.-Franziskus-Hospitals in Köln. Gut schlafende Hunde will die Medizinerin gar nicht wecken: „Menschen ohne Rückenbeschwerden müssen sich keine Sorgen um das richtige Kissen machen. Anders sieht es aus, wenn die Halswirbelsäule Schaden genommen hat und im Schlaf Schmerzen bereitet. Hier kann das richtige Kissen die physiologische Lordose – also die natürliche Krümmung der Wirbelsäule – unterstützen.“

Das klingt nun doch nach Medizin und Wissenschaft. Wie soll der Mensch denn wissen, was bei ihm Natur ist und was Ergebnis seines Lebensstils? Und gibt es Lehrmeinungen? Das Urproblem ist, dass die allermeisten Menschen nicht wissen, wie sie liegen und was bei ihnen im Schlaf passiert.

In welcher Lage schlafen die Menschen?

Die Forschung hat hierzu verlässliche Daten ermittelt. Wolfgang Wirtz, Oberarzt für Schlafmedizin an den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach, referiert sie: „Eine norwegische Studie aus dem Jahr 2017 mit 363 Männern und 301 Frauen ergab, dass 54 Prozent der Menschen in der Seitenposition, 38 Prozent in Rückenlage und acht Prozent in Bauchlage schliefen. Mit zunehmendem Alter und zunehmendem Body-Mass-Index steigt die Zeit in der Seitenposition.“ Jede diese Gruppen braucht ihr eigenes Kopfkissen.

Wie oft bewegt man sich im Schlaf?

Zunächst ist Schlaf kein Abgleiten in einen festen, unverrückbaren Zustand, der über Stunden anhält, weiß Wirtz: „Die ganze Nacht bewegungslos in einer Position liegen – das schafft man vielleicht nur im Vollrausch. Jeder andere Mensch ändert seine Schlafposition mindestens 20 bis 40 Mal, insbesondere in leichten Schlafphasen, im Tiefschlaf dann seltener. Aber der macht auch nur knapp 20 Prozent im mittleren Lebensalter aus und sinkt dann auf wenige Prozent beim älteren Menschen.“

Was gilt für den Seitenschläfer?

Wenn wir also unsere Liegeposition nachts häufig wechseln, sollte beim Seitenschläfer ein Kopfkissen – das sagt einem erstens die Logik, zweitens der Menschenverstand – in allen Lagen und über volle Breite eine zentrale und doch banale Aufgabe erfüllen: ein Loch zu stopfen und den Körper zu stützen. Das Loch tut sich auf zwischen Hals, Schulter, Nacken und Kopf. Deshalb heißen manche Kopfkissen auch Nackenstützkissen. Es muss weich und fest zugleich sein; orthopädisch ist es besonders günstig, wenn es, an der Schulter anliegend, im Übergang vom Rumpf zum Hals ein wenig dicker ist und dann den Kopf etwas flacher bettet.

Diese Ausrichtung ist sinnvoll: „Sie hält die Halswirbelsäule in der Achse.“ Das ist ein Kernsatz von Peter Baues, der das Fachgeschäft Bettes Baues in Mönchengladbach leitet. Dort bündelt sich viel Erfahrung mit Schläfern – und vor allem solchen, die endlich erholsam ruhen wollen, aber bislang keine Fachberatung erfahren haben.

Die Achse ist das A und O, sagt Peter Baues, der sich mit Schlafmedizin auskennt, aber auch das Wissen des Handwerks besitzt. In der Horizontalen muss die Wirbelsäule des Seitenschläfers eine mehr oder weniger gerade Linie bilden, deshalb muss auch die Matratze in gewissen Regionen nachgeben. Baues nennt das „Einsinktiefe“. Vor allem bei der Schulter sei sie wichtig, aber auch beim Becken. „Und es ist klar, dass Frauen mit schmalen Schultern ein schlankeres Kopfkissen brauchen als Männer mit breiten.“ Das gute alte Kissen mit der netten V-Kerbe in der Mitte mag auf dem Sofa hübsch aussehen; im Bett ist es eher hinderlich, weil es Kopf und Nacken nicht über die gesamte Breite stützt und Seitenschläfer animiert, in die Rückenlage zu rollen.

Was hilft der Schulter im Bett?

Patrick A. Weidle ist Chefarzt des Muskuloskelettalen Zentrums am Krankenhaus Neuwerk in Mönchengladbach. Er sieht immer wieder Menschen mit Schulterproblemen, die sie im Schlaf, ohne es zu wissen, verstärken: „Bei Schulterproblemen ist oft die Rotatorenmanschette mit ihren kräftigen Sehnen vom Oberarmkopf bis zum Schulterblatt geschädigt. Die Schultern müssen dann nachts entlastet werden – und nicht nur der Kopf.“

Deshalb muss die Matratze mitspielen – und wer ein Exemplar ohne spezielle Zone für die Schulter und auch keinen entsprechenden Lattenrost besitzt, dem gibt Baues einen nützlichen Rat: „Einfach die Leisten des Lattenrosts im Schulterbereich herausnehmen und umgekehrt wieder reinstecken – von konvex zu konkav. Dadurch gehen die Matratze und somit die Schulter tatsächlich etwas runter.“ Wem dieser Eingriff nicht auf Anhieb gelingt, der kann die Quer- und Längsseiten des Rahmens vorsichtig auseinanderschrauben, dann haben die Leisten seitlich mehr Spiel, und der kleine Umbau klappt leichter.

Wirbelsäulenexpertin Viola Bullmann weiß, dass die gern so gepriesenen Komfortzonen bei Matratzen und Lattenrosten zuweilen zu wünschen übrig lassen. Deshalb sagt auch sie: „In jeder Lage sollte der Kopf weder nach vorne, noch nach hinten oder zur Seite wegknicken. Das Kissen sollte daher den Hohlraum im Nacken gut ausfüllen und abstützen. Je nach Schlafposition ist die richtige Höhe wichtig. In der Seitenlage ist der Abstand größer, das Kissen muss höher sein als in der Rückenlage.“

Was ist bei der Rückenlage zu beachten?

Chefarzt Weidle sagt: „Rückenschläfer benötigen ein Kissen, das so flach wie möglich ist. Übrigens ist die Rückenlage zum Entspannen am gesündesten, in ihr kann die Nackenmuskulatur, die beim modernen Menschen durch viel Zeit vor dem Bildschirm oft verkürzt ist, am besten regenerieren.“ Was nützt der Wirbelsäule des Rückenschläfers? „Sie soll beim Schlafen möglichst nicht nach vorn gedrückt und der Kopf nicht in Richtung Bauch gestaucht werden. Daher empfehlen sich sowohl die Rückenlage also auch ein besonders flaches Kissen, damit die Schultern zurückgehen und ein Rundrücken bis hin zum leichtem Buckel mit nach vorn gezogenen Schultern vermieden werden.“

Ja, die Rückenlage. Oberarzt Wolfgang Wirtz gibt die Antwort, was bei der Rückenlage passiert: „Die Schlafposition hat eine entscheidende Wirkung auf das Schnarchverhalten. Schläft man in Rückenlage, sackt das Gewebe der Schwerkraft nach im Rachenraum nach hinten unten ab. Abhängig von der individuellen Anatomie kann das Gewebe (aber auch der Zungengrund, also der hinterste Teil des Zungenmuskels) so weit nach hinten in den Rachen reichen, dass es den Atemluftstrom durch die Atemwege beeinträchtigt oder gänzlich unterbricht.“ In den meisten Fällen sei dann das sogenannte Zungengrundschnarchen die Folge. „Das steht“, erklärt Wolfgang Wirtz, „übrigens in direkter Korrelation zum Halsumfang.“

Und was ist Bauchschläfern zu sagen?

Weidle ist hier eindeutig: „Die Bauchlage ist die ungesündeste Schlafart von allen: Hierbei wird die Lendenwirbelsäule ins Hohlkreuz gepresst und der Nacken gedreht, weil die Nase ja nicht in die Matratze ragt.“

Wie wichtig ist der Härtegrad der Matratze?

Der Härtegrad einer Matratze ist natürlich ein Mysterium, bei dem unterschiedliche Lehrmeinungen aufeinanderprallen. Chefärztin Bullmann vertritt wie viele andere Fachleute die These, dass „ein schwerer Mensch mit einem Gewicht von über 100 Kilogramm eher eine härtere Matratze benötigt als eine leichte Person von 50 Kilogramm“. Aber sie weiß auch, dass das kein Dogma ist und immer auch von der Beschaffenheit der Matratze abhängt. Peter Baues erinnert an die oft leichteren und kleineren Menschen aus Fernost, die auf Futonbetten schlafen – mit dünneren und auch härteren Matratzen.

Kurzum: Alles ist individuell, widerspricht zuweilen der Theorie und kann trotzdem gut sein. In Zweifelsfällen kommt es aufs Ausprobieren an. Und manchmal kuriert ein richtiges Kopfkissen (und die richtige Matratze) auch andere Leiden. Peter Baues erlebt häufig, dass Kunden an der Reflux-Krankheit leiden, bei der nachts säurehaltiger Magensaft durch die Speiseröhre aufsteigt und unter anderem Sodbrennen verursacht. Hier gilt gemeinhin der Vorschlag, die Achse durch Klötze unter das Kopfteil des Bettes zu erhöhen. Aber um wie viel Grad? Baues: „Besser, wir schauen uns das genau an.“

Und was kostet einen der gesunde Schlaf?

Peter Baues könnte einem die großartigsten Luxusprodukte verkaufen, aber er kennt auch die Geldbeutel seiner Kunden. Er warnt allerdings davor, beim Thema Schlaf zu sparen. Gleichwohl sagt er: „Man bekommt eine sehr gute Matratze, das richtige Kopfkissen und einen geeigneten Lattenrost schon für insgesamt unter 1000 Euro.“ Eine professionelle Beratung sei allerdings unentbehrlich. „Sie glauben ja gar nicht, wie viele Menschen im Schlaf sündigen, ohne es zu wissen.“

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