Frankfurt/M. Rosemarie Fendel – eine der Großen ist tot

Frankfurt/M. · Im Alter von 85 Jahren ist die Schauspielerin nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Zuletzt war sie als "Adlon"-Star zu sehen.

Mit ihren großen, schwarz-leuchtenden und so unglaublich wachen Augen hatte sie die Welt im Blick. Vor wenigen Wochen noch begeisterte sie ein Millionenpublikum in der Rolle der alten Hotelierstochter Sonja Schadt mit schlohweißem Haar in der ZDF-Familiensaga "Das Adlon". Unvergesslich, wie sie in der letzten Filmszene in der Lobby des Luxus-Hotels mit dem für sie so typischen leicht verschmitzt-wissenden Lächeln auf ihr Leben zurückblickt. Als hätte sie das Ende geahnt, denn es war ihr letzter großer Auftritt: Die Theater- und Film-Schauspielerin Rosemarie Fendel ist kurz vor ihrem 86. Geburtstag in ihrem Frankfurter Haus in den Armen ihrer Tochter Suzanne von Borsody (55) gestorben.

Vielseitigkeit war ihr Metier: Film, Fernsehen, Bühne, Rezitation — diese so grazil-elegante, zerbrechlich wirkende Frau beherrschte die Schauspielkunst wie kaum eine andere. Und welch ein Glück fürs Publikum, dass die Grande Dame des Fernsehens bis zuletzt gefragt und überbucht war. Altersmüdigkeit war ihr unbekannt: Sie spielte große Charakterrollen — etwa in Margarethe von Trottas "Die Schwester". Auch mit ihrer Tochter stand sie gemeinsam vor der Kamera

Präsenz und Präzision machten sie zu einer Ausnahmeerscheinung im Film. Sie liebte große Hüte und große Posen. Mal gab sie die Diva, mal die greise Mutter, mal war sie schrullig, mal komisch, sie wirkte gouvernantenhaft-altmodisch und zugleich total modern, sie konnte schüchtern und boshaft sein. Aber immer war sie ganz bei sich, bewahrte Haltung, ging selbstbewusst, akkurat frisiert durchs Leben, zeigte stolz ihr von Falten zerfurchtes Gesicht.

Und das Wunderbare: Man konnte sie stets mit geschlossenen Augen an ihrer dunklen, leicht-melancholischen Stimme erkennen: bis ins hohe Alter — so markant, so erotisch. Annie Girardot, die sie im Film synchronisierte, war davon derart begeistert, dass sie sich bei der Kollegin durch denselben Dienst revanchierte. Elizabeth Taylor und Jeanne Moreau lieh sie so lange ihre Stimme, bis sie selbst so berühmt war, dass man immer nur "die Fendel" hörte, wenn die Taylor sprach. Sie habe "tolle Weiber gehabt", sagte Fendel einmal über ihre Synchronarbeit. Als eine ihrer letzten Aufgaben war sie Stimme der gleichaltrigen Französin Emmanuelle Riva, die die Hauptrolle in dem Oscar-prämierten Film von Michael Haneke, "Liebe" (Amour), spielt.

Bekannt wurde die 1927 geborene Rheinländerin durch Filme wie "Ödipussi" und "Schtonk". Die junge Generation kennt Rosemarie Fendel zum Beispiel als Oma der "Familie Sonnenfeld" in der gleichnamigen ARD-Reihe oder als schwerhörige Mutter des fiesen Turnlehrers im Kinofilm "Sams in Gefahr" (2003). Sie spielte weit mehr als 100 Fernsehrollen, glänzte aber auch im Film und im Theater. Sie beherrschte sowohl das ernste Fach als auch das komödiantische.

Schon als Schülerin leitete sie eine Kindertheatergruppe. Nach dem Abitur nahm sie privaten Schauspielunterricht und debütierte 1946 an den Münchner Kammerspielen, danach folgte ein Engagement in Tübingen. Von dort warb Gustaf Gründgens sie 1953 für das Düsseldorfer Schauspielhaus ab. Es folgten Auftritte in Darmstadt, München und Frankfurt am Main.

Ab 1963 sah man sie auch in Fernsehrollen. Als Redaktionssekretärin "Füchslein" in der Serie "Der Nachtkurier meldet" stach sie hervor. In der Krimiserie "Der Kommissar" machte sie aus ihren seltenen Auftritten als elegante und nölende Ehefrau des Kommissars (Erik Ode) kleine Kabinettstückchen.

1967 erschien sie erstmals auf der Kinoleinwand. Sie spielte in "Tätowierung" die Ehefrau eines Fabrikanten: Das sozial engagierte Paar adoptiert einen 16-Jährigen, dem jedoch die Fürsorglichkeit zuwider ist. Regisseur Johannes Schaaf, der 26 Jahre lang Fendels Lebensgefährte war, thematisierte in seinem Kinodebüt den Generationenkonflikt. Schon 1974 wurde sie für ihre Mitwirkung in Ingmar Bergmans "Traumstadt" für den Oscar nominiert. Bergman sagte damals, sie sei eine der wenigen Schauspielerinnen ihrer Generation, "die internationales Format besitzt". Dank ihrer enormen Verwandlungsfähigkeit galt Rosemarie Fendel Zeit ihres Lebens als Garantin souveräner Schauspielkunst.

Das größte private Glück war für die alleinerziehende Mutter jedoch ihre Tochter. Suzanne war ihr Ein und Alles, ihre Vertraute und Freundin. Ein inniges Band hielt die beiden fest umschlungen.

(RP)
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