Leipzig David Wagner gewinnt in Leipzig

Leipzig · Die Leipziger Buchmesse zeichnet den Roman "Leben" aus.

Ein Mann kommt in der Nacht nach Hause, löffelt noch ein wenig Apfelmus aus dem Glas, als es plötzlich kratzt in seinem Hals. Sekunden später hängt er über der Badewanne, Blut schwappt aus seinem Inneren, er kann gerade noch den Notarzt rufen. Präzise, unsentimental, ohne Effekthascherei erzählt David Wagner in seinem Roman "Leben" von den Etappen seiner eigenen Lebererkrankung. Begleitet hat sie ihn von Kindheit an, irgendwann wird sie so bedrohlich, dass nur eine Spenderleber ihn rettet. Wagners Buch ist aber kein Beitrag zur Organspendedebatte, auch kein Krankheitstagebuch – sondern Literatur. Denn es gelingt dem Autor, einen eigenwilligen, unverbrauchten Ton zu finden, er erzählt hellwach, seelenruhig, mit schonungsloser Schlichtheit.

Eine siebenköpfige Jury hat diesen unprätentiösen Roman daher mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Das ist eine souveräne Entscheidung, waren doch unter anderem voluminöse Familiengeschichten im Rennen, die ihre Figuren durch viele Jahrzehnte deutscher Geschichte begleiten und süffigen Lesestoff bieten. Das Votum passt zur Stimmung auf der Messe, denn trotz der großen Veränderungen auf dem Buchmarkt etwa durch den Internet-Handel, blicken viele Fachleute ohne falsche Ängstlichkeit in die Zukunft. "Alles wird immer schöner und besser werden", sagt etwa die vielfach ausgezeichnete Autorin und Buchgestalterin Judith Schalansky. "Jedes Buch, das künftig gedruckt wird, wird deutlich machen, warum es als Buch erscheint und nicht als elektronischer Text." Bücher seien "kuratierter Inhalt", abgeschlossene gestalterische Werke, die sich wohltuend abhöben vom uferlosen Internet. Darum sei ihr nicht bange um das alte Medium Buch. Das neue Medium E-Book müsse hingegen erst noch lernen, nicht nur müder Buch-Ersatz zu sein, sondern auf eigene Weise digital zu erzählen. Sachbuchautorin Kathrin Passig ist dagegen Vertreterin einer Lesergeneration, der die Schönheit eines Druckwerks weniger wichtig ist als die kommunikativen Möglichkeit eines E-Books. "Texte haben Tentakel in andere Wissengebiete", so Passig, "wenn ich lese, dreh ich auf den Spuren bestimmter Begriffe gern ein paar Runden durch Wikipedia und das geht nur elektronisch." Aber wahrscheinlich kämpfen gedrucktes und elektronisches Buch gar nicht gegeneinander ums Überleben: Sie werden es beide schaffen.

(RP)
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