Von Raabs BuViSoCo zum ESC Marta Jandová: "Ich habe eine Lachattacke bekommen"

Wien · Beim zweiten Halbfinale des 60. Eurovision Song Contest in Wien können die deutschen Fernsehzuschauer bereits abstimmen – und werden im Teilnehmerfeld ein bekanntes Gesicht erblicken. Marta Jandová, Frontfrau der Rockband Die Happy und Gewinnerin von Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2007, repräsentiert zusammen mit Václav Noid Bárta die Tschechische Republik mit der pathetischen Ballade "Hope Never Dies".

Eurovision Song Contest: Marta Jandová und Václav Noid Bárta vertreten Tschechien
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Marta Jandová und Václav Noid Bárta singen beim ESC für Tschechien

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Beim zweiten Halbfinale des 60. Eurovision Song Contest in Wien können die deutschen Fernsehzuschauer bereits abstimmen — und werden im Teilnehmerfeld ein bekanntes Gesicht erblicken. Marta Jandová, Frontfrau der Rockband Die Happy und Gewinnerin von Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2007, repräsentiert zusammen mit Václav Noid Bárta die Tschechische Republik mit der pathetischen Ballade "Hope Never Dies".

Die 41-Jährige erklärt im Interview mit unserer Redaktion, wie es zu der Teilnahme kam, warum beim Auftritt die Schuhe fliegen und was sie der deutschen Sängerin Ann Sophie zutraut.

Das zweite Halbfinale steht unmittelbar vor der Tür. Wie geht es euch hier in Wien?

Jandová: Es ist echt der Wahnsinn. Als wir ankamen, haben wir gedacht: Was ist das für eine Manie hier? Die Atmosphäre ist genial. Alles ist hier mit dem ESC-Logo versehen — die U-Bahnen, die Taxis, die Busse. Wir fühlen uns unheimlich willkommen. Alle sind so nett zu uns. Nach den Proben gibt es selbst von den Kameraleuten Applaus, das ist unheimlich motivierend.

Wie kam es zu eurer Teilnahme für Tschechien?

Jandová: Wir haben beide einen Anruf bekommen. Mir wurde gesagt, dass ich als Sängerin ausgewählt worden bin und was ich davon halten würde. Zuerst habe ich eine Lachattacke bekommen, weil ich in den 16 Jahren, die ich in Deutschland gelebt habe, den ESC immer mit Freunden geguckt habe. Aber der ESC war für eine Rocksängerin immer so weit weg wie ein anderer Planet. Aber in Tschechien bin ich nicht die Die-Happy-Sängerin, sondern diejenige, die im Fernsehen immer mal singt und bei Castingshows in der Jury sitzt.

Was sagen Freunde und Kollegen dazu, dass du als Sängerin mit rockigen Background hier teilnimmst?

Jandová: Die finden es witzig. Mittlerweise ist der ESC nicht mehr nur Schlager, wie es vor 20 Jahren noch war.

Wie lang musstest du überlegen, als die Anfrage kam?

Jandová: Nicht lange. Ich habe gesagt, wenn ich das Lied mag, dann mache ich mit. Wenn ich das Lied nicht gemocht hätte, hätte ich abgelehnt.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit deinem Duettpartner Václav Noid Bárta und worum geht es in eurem Titel "Hope Never Dies"?

Jandová: Wir kennen uns schon lange. Wir haben zusammen in einem Musical gesungen. Er hat den Hamlet gespielt und ich seine Mutter. Er ist nur sechs Jahre jünger als ich, eine Frechheit eigentlich. In politisch schwereren Zeiten wie aktuell mit den Ukraine-Konflikt brauchen wir alle Hoffnung, dass positive Zeiten wiederkommen und alles gut wird. Die Hoffnung stirbt nie.

In Tschechien ist das Echo zum Eurovision Song Contest eher kritisch.

Jandová: Das Echo kommt gar nicht erst nach Tschechien. Nach drei richtig schlechten Resultaten bei drei Teilnahmen (Anm. d. Red.: Letzter im Halbfinale 2007 und 2009, Vorletzter 2008) wollen die Tschechen nichts mit dem Wettbewerb zu tun haben. Unser Song wird gar nicht in den Radios gespielt. Es ist so, als gäbe es den ESC überhaupt nicht. Der ESC war für uns immer wie Weihnachten ohne Geschenke. Deswegen sind wir hier, um das zu ändern.

Bei der Performance zu "Hope Never Dies" ziehst du deine Schuhe aus und wirfst sie weg. Hat das eine spezielle Bedeutung?

Jandová: Ja, das hat eine Bedeutung. Das habe ich schon beim akustischen Konzert mit Die Happy gemacht. Ich hatte unseren Fans versprochen, mit Kleid und High-Heels zu kommen. Nach ein paar Stunden hat es mich genervt und ich habe die Schuhe einfach weggeworfen. Alle haben gelacht und fanden es symbolisch sehr geil — eine Rockerin versucht auf Dame zu machen, das geht nicht. Als wir hier in Wien die Choreografie geprobt haben, hatte ich die hohen Schuhe auch schon zwei Stunden an und ich konnte nicht mehr. Da habe ich die Schuhe einfach genommen und auf Spaß weggeworfen. Dann haben alle gesagt, das passt zu dem Lied und auch zu mir, weil ich es vor zehn Jahren mal angefangen habe.

Wie wichtig ist euch eine gute Platzierung?

Jandová: Hier dabei zu sein, ist schon super. Aber wir wollen einen guten Platz belegen, sonst hätten wir gar nicht die Motivation gehabt, hier mitzumachen. Klar, wollen wir gewinnen. Doch das Finale ist unser erster Wunsch.

Der ESC kann eine Karriere pushen, kann ein schwaches Resultat dort ihr womöglich auch schaden?

Jandová: Jemand muss halt auch die letzten Plätze belegen. Schaden kann es uns auf gar keinen Fall, gerade weil sich in Tschechien keiner für den ESC interessiert. Über unseren Misserfolg würden sie jedoch viel schreiben. Aber ich bin nicht mehr so karrieregeil. Seitdem bin ich eine Familie habe, freue ich mich, bei Sachen mitzumachen, die ich mir aussuchen kann — wie den ESC. So bin ich glücklich.

Warst du denn karrieregeil?

Jandová: Eigentlich nicht. Aber das einzige, was ich immer wollte, war Erfolg mit Die Happy zu haben. Als wir den ersten Plattenvertrag bekommen haben, war ich 19. Ich habe im Büro als Tippse gearbeitet und bin putzen gegangen — alles für den Erfolg mit meiner Band. Ich wollte auf großen Bühnen spielen und durch Europa touren.

Du bist quasi schon Song-Contest-erfahren durch deine beiden Teilnahmen beim Bundesvision Song Contest (BuViSoCo). Wie war das damals?

Jandová: 2005 habe ich mit Apokalyptica für Baden-Württemberg den fünften Platz belegt. Wenn eine finnische Band mit einer tschechischen Sängerin beim Bundesvision Song Contest so abschneidet, ist das ein Riesenerfolg. Zwei Jahre später habe ich dann mit Oomph! für Niedersachsen gewonnen. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, Jan Delay war der große Favorit. Niemand hatte es uns zugetraut. Überraschungen können immer passieren.

Inwieweit kann man Bundesvision Song Contest und Eurovision Song Contest miteinander vergleichen?

Jandová: Stefan Raab hat es schon richtig abgeguckt vom großen Bruder Eurovision. Der einzige Unterschied ist, dass beim ESC viel mehr Leute zuschauen, dass viel mehr Leute mitmachen und dass in anderen Sprachen gesungen wird. Beim Bundesvision Song Contest musste man ja deutsch singen. Das sind eigentlich die einzigen Unterschiede.

Ihr gehört hier in Wien zu den erfahreneren Künstlern. Inwieweit kann Erfahrung bei diesem Wettbewerb helfen?

Jandová: Ich glaube gar nicht. Ich denke, dass manche jüngere Künstler so unerfahren sind, dass es schon charmant wirkt und dass sie deshalb das richtige auf der Bühne machen. Erfahrung kann zwar etwas bringen, aber auch töten, wenn man es zu perfekt macht.

Was hältst du vom deutschen Beitrag Ann Sophie mit "Black Smoke"?

Jandová: Finde ich super. Ich habe sie auch kennengelernt. Sie ist echt ein starkes, liebes Mädchen. Ihre Wahl zum ESC war natürlich eine doofe Erfahrung, aber eigentlich hatte sie Glück damit. Für sie ist alles dumm gelaufen, aber umso mehr werden die Menschen in Deutschland ihr die Daumen drücken sicherlich. Ich glaube, sie kommt in die Top Ten.

Hättest du Ann Sophie als Jurymitglied bei Popstars (2010) in die Band gelassen?

Jandová: Ja, klar. Das war eine tolle Zeit. Wenn der ESC vorbei ist, fangen die Castings der tschechischen/slowakischen Variante von DSDS an, bei denen ich in der Jury sitzen werde. Das macht tierisch viel Spaß, die Spreu vom Weizen zu trennen und die Leute in ihrer Entwicklung zu sehen.

Du bist 2008 zurück nach Tschechien gezogen. Wie groß ist noch deine Bindung nach Deutschland?

Jandová: Es ist eine sehr große Bindung. Die Band Die Happy funktioniert in Deutschland immer noch. Wir spielen immer noch Festivals und veröffentlichen Platten, nächstes Jahr wollen wir wieder mit einem neuen Album herauskommen. Fast alle meine erwachsenen Freunde sind aus Deutschland und ich überlege wieder zurückzuziehen. (flüstert) Aber das weiß keiner… Die Zeit ist wieder reif, zurüc nach Deutschland zu gehen. Unsere kleine Tochter kann mittlerweile fast tschechisch sprechen, es wird nun Zeit, dass sie auch deutsch lernt.

Bist du jemals für eine deutsche Vorentscheidung angefragt worden?

Jandová: Nein.

Kannst du dir nochmal eine Teilnahme vorstellen?

Jandová: Ich habe mir überlegt, dass ich nächstes Jahr für Deutschland antrete. (lacht) Nein, wir haben mit dem Verantwortlichen des tschechischen Fernsehens schon gesprochen. Wir treten jetzt jedes Jahr für Tschechien an.

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