"Eurovision Song Contest" Wie politisch wird's diesmal auf der Bühne?

Wien · Die Spannung vor dem Eurovision Song Contest in Wien steigt. 40 Acts ringen um Europas Musik-Krone. Etliche setzen auf bewährten Schmalz-Pop. Doch es gibt auch einiges Skandalpotenzial.

 Der Sieg im Jahr 2014 von Dragqueen Conchita Wurst hat das Tor für politische Statements bei Europas größtem Musikwettbewerb weit aufgestoßen.

Der Sieg im Jahr 2014 von Dragqueen Conchita Wurst hat das Tor für politische Statements bei Europas größtem Musikwettbewerb weit aufgestoßen.

Foto: afp, DF/JH

Schweden? Italien? Oder doch Australien? Glaubt man den Wettanbietern, machen diese drei Länder beim Eurovision Song Contest (ESC) in Wien den Sieg unter sich aus. Der deutschen ESC-Hoffnung Ann Sophie räumen die Buchmacher derzeit keine großen Chancen ein, sie landet bei den Buchmachern jenseits der Top Ten.

Neben der alljährlichen Frage nach dem ESC-Gewinner stellt sich dieses Jahr jedoch noch eine fast genauso spannende: Wie politisch wird der ESC? Das Finale der Musik-Show am 23. Mai in der Wiener Stadthalle dürfte in jedem Fall einige Überraschungen bereithalten.

Der Sieg der österreichischen Dragqueen Conchita Wurst im vergangenen Jahr hatte das Tor für Statements bei Europas größtem Musikwettbewerb schon weit aufgestoßen. In Kopenhagen polarisierte und begeisterte die "Frau mit Bart" mit ihrer Botschaft von Toleranz und Respekt für alle Menschen.

Klare politische Äußerungen sind laut Reglement eigentlich untersagt. In der Vergangenheit wurden manche Lieder wegen zu eindeutiger Botschaften nicht zugelassen. Doch in diesem Jahr haben manche Teilnehmersongs eine recht eindeutige Agenda und auch recht gute Chancen, damit ins Finale einzuziehen.

Kritische Beiträge aus Armenien und Ungarn

Mit "Face The Shadow" erinnert das armenische Musikprojekt Genealogy etwa an die Massaker an den Armeniern 1915. Die Zusammensetzung der Band spiegelt die Diaspora des verstreuten Volkes. Neben einer Sängerin aus Armenien sind armenischstämmige Musiker aus Frankreich, Japan, den USA, Australien und Äthiopien vertreten.

Der nächste politisch angehauchte Song kommt aus Ungarn: Mit "Wars for Nothing" präsentiert die Sängerin Boggie eine sanfte Ballade, in der sie für den Weltfrieden singt. Mehr als 30 Jahre nach dem Sieg von Nicole mit "Ein bißchen Frieden" stehen die Chancen für Boggie nicht schlecht. Auch die für Russland startende Polina Gagarina präsentiert mit "A Million Voices" einen Aufruf zu harmonischem Miteinander.

Der ausrichtende österreichische Rundfunk (ORF) will dem Glitzer-Event ebenfalls mehr inhaltliche Bedeutung beimessen. Mit einer barrierefreien Stadthalle sowie Gebärdendolmetschern, die bei den Übertragungen für Gehörlose mit Gesten auch ein Gefühl für die Musik vermitteln sollen, will der Sender den ESC "grenzenlos" vermitteln und dem Motto "Building Bridges" Rechnung zollen. "Das Verbindende soll unsere Botschaft sein," sagte ORF-Intendant Alexander Wrabetz der Deutschen Presse-Agentur.

Die Beiträge aus Finnland und Polen dürften in diesem Zusammenhang mindestens im Halbfinale ebenfalls einiges Aufsehen erregen. In der finnischen Band Pertti Kurikan Nimipäivät (PKN) treten vier Punks mit Behinderung an. Monika Kuszynska wird in einem Rollstuhl auftreten - nach einem schweren Unfall ist die Polin teilweise gelähmt.

Ausnahmeregel für Australien

"Hier geht es nicht um den Sieg, sondern darum ein Tabu zu brechen, dass die Teilung von Menschen in Gesunde und Behinderte etwas Künstliches ist, das niemandem nutzt", sagt Kuszynska. Und mit der ungewöhnlichen Teilnahme Australiens wird nicht zuletzt die geografische Begrenzung der ESC-Welt gesprengt - die Aussis dürfen beim 60. Song Contest mitmachen, da es in "Down Under" seit 30 Jahren eine stetig wachsende Fangemeinde gibt.

Durch die mit rund 200 Millionen TV-Zuschauern größte Musikshow Europas soll nun erstmals ein Moderatorinnen-Trio führen und das weltoffene Österreich präsentieren: Die 90er-Jahre-Talkshow-Ikone Arabella Kiesbauer, die französischstämmige Arte-Moderatorin Alice Tumler und Österreichs wohl bekannteste Moderatorin, Mirjam Weichselbraun. Und auch Conchita Wurst wird als ESC-Aushängeschild der Alpenrepublik als einer der Gastgeber in der Sendung auftreten.

Und wie stehen die Chancen für einen Conchita-Nachfolger aus Österreich? Die Alpenrepublik schickt diesmal mit den Makemakes drei Salzburger Poprocker ins Rennen. Ihrer Ballade "I Am Yours" werden jedoch höchstens Außenseiterchancen eingeräumt. Unter "ferner liefen" dürften wohl Pop-Einerlei-Beiträge etwa aus Moldau oder Weißrussland abschneiden.

(dpa)
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