Viersen "Meine Heimat bin ich selbst"

Viersen · Viersen stellt das kunterbunte Leben des Dichters Albert Vigoleis Thelen aus.

Dieser Autor ist auch deshalb eine Legende, weil er sich selbst gern legendenhaft gab. Nach 55 literarischen Wander- und Exiljahren über Mallorca, Portugal, Spanien, die Niederlande und die Schweiz war er 1986 wieder an den Niederrhein zurückgekehrt, genauer: nach Viersen. Eine Heimkehr war das freilich nicht: Albert Vigoleis Thelen (1903-1989) gehorchte damals der Not auf der Suche nach einer Altersbleibe. Die gewährte ihm, dem gefeierten wie geschmähten, halb vergessenen und von Fans allzeit geliebten Dichter seine Geburtsstadt. Thelen kam mit seiner Frau Beatrice, lebte sich für seine letzten drei Lebensjahre halbwegs ein, empfing Besuch. Eine tiefere Bindung war nicht mehr möglich. "Meine Heimat bin ich selbst", so der Weitgereiste. Das sagt schon einiges über einen der originellsten und ungewöhnlichsten deutschen Nachkriegsdichter.

Viersen ist zu recht und souveränerweise stolz auf Albert Vigoleis Thelen geblieben, der für seinen famosen Schelmenroman "Die Insel des zweiten Gesichts" 1954 mit dem Fontane-Preis geehrt worden war. Die Bibliothek der Stadt trägt seinen Namen, und in der schicken Villa Marx hat der Verein für Heimatpflege jetzt eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die mit einem Großraum überschaubar, aber wirklich toll ist. Mit all den Reisestationen, den Tondokumenten, Erstausgaben und manch feinem Exponat. Dazu gehört der mächtige Ochsenschädel, der einst über Thelens Schreibtisch thronte und sein Sinnbild für Verleger war. Auch seine Schreibmaschine mit extrem großen Lettern ist zu sehen, darin eingespannt sein letzter, nicht vollendeter Brief. Nie verlassen hat ihn sein Misstrauen gegenüber einem Deutschland, in dem Faschismus möglich wurde und wütete. Ein "Mußdeutscher", kein Musterdeutscher sei er, steht auf einem, von der Zeit mächtig angegilbtem Zettelchen. Einige Viersener durften den Sonderling unter den deutschen Autoren noch kennenlernen. Einer von ihnen ist der frühere Lehrer Leo Fiethen, der Exponate beisteuerte und noch manches zu erzählen weiß. Etwa von dem sagenumwobenen Koffer, der im Schlafzimmer der Thelens gestanden und ein dickes Manuskript beherbergt habe. Das sei die Fortsetzung des berühmten Insel-Epos, so Thelen damals. Aber: Da stecke der Teufel drin, habe der Dichter gesagt und verfügt, dass dieses Werk nie gedruckt und nach seinem Ableben vernichtet werde. So ist es dann geschehen. Sagt zumindest die Legende. Was bleibt? Unbedingt Thelen lesen und die Schau in Viersen besuchen!

Info Bis 15. Oktober, Villa Marx, Gerberstr. 20, Viersen, Do-Sa 15-18 Uhr, So 11-18 Uhr

(los)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort