Neuer Film von Bully Herbig Mit dem Heißluft-Ballon in die Freiheit

Michael „Bully“ Herbig schildert in „Ballon“ ein deutsch-deutsches Flüchtlingsdrama nach einer wahren Begebenheit.

 Friedrich Mücke (l.) als Peter Strelzyk, Karoline Schuch als Doris Strelzyk (r.) und Tilman Döblerin als Andreas Strelzyk in „Ballon“.

Friedrich Mücke (l.) als Peter Strelzyk, Karoline Schuch als Doris Strelzyk (r.) und Tilman Döblerin als Andreas Strelzyk in „Ballon“.

Foto: dpa/-

Jetzt will es Bully aber wissen. Mit „Der Schuh des Manitu“ (2001) und „(T)raumschiff Surprise – Periode 1“ (2004) hat Michael „Bully“ Herbig kommerzielle Filmgeschichte geschrieben. Die Westernkomödie und die Science-Fiction-Persiflage avancierten – übrigens bis heute unangefochten – zu den beiden erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten. Das Animationswerk „Lissy und der wilde Kaiser“ und der Kinderfilm „Wickie und die starken Männer“ konnten nicht mehr ganz an die Superlativen anschließen, lockten aber genauso wie zuletzt der müde TV-Wiederaufguss „Bullyparade“ (2017) immer noch ein Millionenpublikum in die Kinos.

Nun will Herbig mit seinem Image als nationaler Oberbespaßer brechen und versucht sich mit seinem neuen Film „Ballon“ ganz ohne Verballhornung und mit dramatischem Ernst im Genre des Thrillers. Dafür hat er eine deutsch-deutsche Fluchtgeschichte aus den späten siebziger Jahren ausgegraben. Am 16. September 1979 gelang zwei thüringischen Familien mit einem selbstgebastelten Heißluftballon die Flucht aus der DDR. Das waghalsige Unternehmen gilt als eines der spektakulärsten seiner Art und wurde 1982 sogar schon unter dem schönen Titel „Mit dem Wind nach Westen“ in Hollywood von „Disney“ verfilmt. Ausdauernd und vergeblich versuchte Herbig die Erlaubnis für eine Neuverfilmung bei den amerikanischen Rechteinhabern einzuholen, bis Freund Roland Emmerich die Sache mit ein paar Telefonanrufen klärte.

Mit dem Wind, der in die richtige Richtung weht, beginnt auch Herbigs „Ballon“. Lange haben Peter Strelzyk (Friedrich Mücke) und seine Frau Doris (Karoline Schuch) darauf gewartet, und in dieser Nacht scheint es endlich soweit zu sein. Auch wenn die Komplizen Günter und Petra Wetzel (David Kross, Alicia von Rittberg) es sich anders überlegt haben, besteigt die vierköpfige Familie nachts den selbstgebauten Heißluftballon. Aber der verwendete Baumwollstoff saugt sich mit Feuchtigkeit voll, und der Ballon geht früher als geplant wenige Kilometer vor den Grenzanlagen nieder.

Hektisch tritt die Familie den Rückzug an und kehrt in das Heim zurück, das sie glaubte für immer verlassen zu haben. Aber natürlich fällt der Fluchtversuch auf. Die Staatssicherheit übernimmt unter der Leitung von Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann) die Ermittlungen. Die Strelzyks wissen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie auffliegen und wegen versuchter Republikflucht ins Gefängnis kommen. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als einen weiteren Fluchtversuch zu wagen. Die Bemühungen, bei der amerikanischen Botschaft in Ostberlin Hilfe zu finden, bleiben fruchtlos. und so starten sie ein zweites Ballon-Projekt.

Herbig baut seinen Flucht-Thriller mit einer klassischen Ping-Pong-Dramaturgie auf. Mit zunehmender Dynamik schneidet er zwischen beiden Familien, die den Taftstoff für den Ballon in der ganzen Republik zusammenkaufen müssen und in Nachtschichten im Keller vernähen, sowie den Stasi-Häschern hin und her, die den Fluchtwilligen immer dichter auf die Fersen kommen. Das produziert eine solide Oberflächenspannung. Aber bei allem Thriller-Tam-Tam, dramatischen Schnittgewittern und omnipräsenter Musikuntermalung herrscht in „Ballon“ eine innere Leere. Die Charakterisierung der Figuren bleibt flüchtig. Ihre Motivationen für die Flucht un die damit verbundenen Konflikte werden nur oberflächlich behandelt.

Wie ihr Leben in der der DDR, dem sie mit einem lebensgefährlichen Vorhaben entfliehen wollen, aussieht, wird jenseits üblicher Aufzählungsmuster (Jugendweihe, Stasi-Nachbar, graue Fassaden) nicht gezeigt. Ausstattung und Kostüm haben zwar fleißig Zeithistorisches zusammen getragen, aber dem Film fehlt jegliches Gespür für die Nuancen des alltägliche Lebens im Arbeiter- und Bauernstaat.

Aber Herbig ist viel zu sehr in die eigenen dramatischen Gesten verliebt, die allerdings bei genauem Hinsehen erhebliche Redundanzen aufweisen und deutlich weniger spannend sind, als sie es gerne wären.

Der Ballon, Deutschland 2018 – Regie: Michael Bully Herbig, mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch und David Kross,120 Min.

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