Kinostart von „Die Frau, die vorausgeht“ Ein frischer Blick aufs Western-Genre

Düsseldorf · In "Die Frau, die vorausgeht" spielt Jessica Chastain eine Malerin, die Häuptling Sitting Bull porträtieren möchte - ein Film, der einem alten Genre neues Leben einhauchen könnte.

 Catherine Weldon (Jessica Chastain) und Sioux-Stammeshäuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes) in einer Szene des Films "Die Frau, die vorausgeht".

Catherine Weldon (Jessica Chastain) und Sioux-Stammeshäuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes) in einer Szene des Films "Die Frau, die vorausgeht".

Foto: dpa/Richard Foreman

"Sie sehen aus wie jemand mit guten Absichten" sagt Colonel Silas Groves (Sam Rockwell) im Zug zu der alleinreisenden Dame und das ist nicht als Kompliment gemeint. Gute Absichten ist das letzte, was die US-Armee im Jahre 1890 in Fort Yates gebrauchen kann. Schließlich wurde Groves nach North Dakota gesandt, um die dort lebenden Sioux-Stämme mit einem weiteren Knebel-Vertrag aufzuspalten und eines Großteils ihres Reservates zu berauben.

Catherine Weldon (Jessica Chastain) hingegen hat sich aus dem fernen New York in den Wilden Westen aufgemacht, um ein Bild von dem legendären Lakota-Häuptling Sitting Bull zu malen. Als sie an der Bahnstation nach dem Weg zum Reservat fragt, spuckt man ihr ins Gesicht, und auch der Kommandeur des Militärstützpunkts (Ciarán Hinds), der selbst mit einer Indianerin verheiratet ist, will die fremde Frau gleich wieder in den nächsten Zug Richtung Ostküste setzen. Aber Catherine lässt sich nicht beirren und findet ihren Weg ins Reservat. "Ich habe viele Flüsse überquert" lässt sie den Häuptling in Indianersprache zur Begrüßung wissen. "Sie sind mit dem Zug aus New York gekommen" antwortet Sitting Bull (Michael Greyeyes) und fordert für das Porträt ein saftiges Honorar von 1000 Dollar. Der berüchtigte Krieger und Medizinmann ist mittlerweile Kartoffelbauer, spricht astreines Englisch und scheint sich widerwillig mit dem Reservatsdasein abgefunden zu haben.

Aber spätestens wenn er für das Porträt die verbotene Stammeskluft wieder anzieht, wird klar, dass der Stolz dieses Mannes noch nicht gebrochen ist. Während der entmachtete Häuptling und die Malerin, die den gesellschaftlichen Zwängen ihres New Yorker Witwendaseins entflohen ist, sich aneinander annähern, beginnt Groves mit der Halbierung der Nahrungszuteilungen Druck auf Reservatsbewohner für die anstehenden Verhandlungen auszuüben. Die heranrückenden Truppen der US-Armee unter Führung von General Crook (Bill Camp) haben dem Häuptling die Niederlage in der Schlacht am Little Big Horn vor vierzehn Jahren bis heute nicht verziehen. Catherine versucht mit ihren Kontakten nach Washington gegen das Abkommen mobil zu machen, während Sitting Bull beginnt, den Widerstand der Stammesältesten zu organisieren.

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Mit "Die Frau, die vorausgeht" erzählt die britische Regisseurin Susanna White ("Verräter wie wir") in Anlehnung an reale Ereignisse von der Malerin Catherine Weldon, der mit ihrem Porträt von Sitting Bull nicht nur ein provokantes künstlerisches Statement gelang, sondern die sich auch auf politischer Ebene gegen die Vertreibung der Lakota einsetzte. Nach "Hostiles - Feinde" ist dies nun schon der zweite Western in dieser Kinosaison, der den Pioniermythos des Genres gründlich auseinanderpflückt.

Während ersterer mit einer guten Portion Lakonie der mörderischen Vergangenheit direkt ins Gesicht blickte, führt White in "Die Frau, die vorausgeht" vor der cinegenen Kulisse des Wilden Westens patriarchale und rassistische Machtmechanismen vor. Dieser Ansatz funktioniert überraschend gut, weil sie mit ihrem Film stets nah an den beiden Hauptfiguren bleibt.

Die Rolle der Catherine Weldon wirkt wie maßgeschneidert für Jessica Chastain. Ob als CIA-Agentin in "Zero Dark Thirty" (2012), knallharte Lobbyistin in "Die Erfindung der Wahrheit" (2016) oder zuletzt als Poker-Queen in "Molly's Game" (2017) hat sich die Schauspielerin in Rollen von Frauen, die sich in männerdominierten Welten nicht unterkriegen lassen, mehrfach bewährt. Auch im historischen Western-Setting agiert Chastain als durchsetzungsfähige Heldin überaus überzeugend, genauso wie der kanadische Schauspieler Michael Greyeyes, der dem Stammeshäuptling eine kontemplative Würde verleiht, welche das Stereotyp des gebrochenen Helden effizient untergräbt.

Vielleicht ist das der Anfang einer neuen Western-Welle, die die amerikanische Gründungsmythologie neu befragt und einen frischen Blick auf das Genre eröffnet. In Zeiten, in denen der weiße Mann im Weißen Haus seine Cowboy-Mentalität zur Schau stellt, sind solche Filme jedenfalls Gold wert.

Die Frau, die vorausgeht, USA 2017, - Regie: Susanna White, mit Jessica Chastain, Michael Greyeyes, Sam Rockwell, Ciarán Hinds, Bill Camp, 100 Min.

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