Buch-Kritik Birgit Vanderbeke: Sweet Sixteen

Markus Heuser, genannt "Meks", hat den Anfang gemacht: Er kommt nach der Schule nicht zurück nach Hause. Nach und nach verschwinden mehr und mehr Jugendliche. Sie alle haben eines mit "Meks" gemeinsam: Sie sind 16 Jate alt. Nachdem der Sohn einer bekannten Fernsehmoderatorin ebenfalls verschwindet, werden die verschwundenen Jugendlichen zum Gegenstand eines gewaltigen Medieninteresses.

 "Sweet Sixteen" von Birgit Vanderbeke

"Sweet Sixteen" von Birgit Vanderbeke

Foto: S. Fischer

Immer mehr Jugendliche folgen dem Beispiel Markus Heusers. Am 16. Geburtstag auszureißen und sich an einen unbekannten Ort zurückzuziehen, wird zu einem Massenphänomen - spontan, unorganisiert und dennoch wie abgesprochen. Bald schon hat der neue Trend ein Logo und einen Namen: "Sweet Sixteen". Kurz darauf kursiert im Internet ein streitlustiges Manifest gegen Medien- und Konsumterror, das den jugendlichen Aussteigern ein Programm gibt.

Aus der Perspektive einer Trendforscherin erzählt Birgit Vanderbeke die Geschichte dieser Jugendbewegung, die ganz Deutschland erschüttert. Während die Ich-Erzählerin mit der neuen Bewegung sympathisiert und den Kontakt zum knapp sechzehnjährigen Bruder ihrer Praktikantin sucht, um die Totalverweigerung der Jugendlichen zu verstehen, bemühen sich die meisten anderen Erwachsenen um Aufklärung und Kontrolle des Phänomens, ohne tatsächlich wissen zu wollen, was die Jugendlichen zu diesem Schritt motiviert.

Vanderbeke führt ihr Gedankenspiel geschickt aus, konzentriert und kalkuliert setzt sie ihre Pointen und brennt dabei zuweilen ein satirisches Feuerwerk ab, das auch die aktuellen deutschen Krisen und Befindlichkeiten zu erhellen vermag. Die Autorin zeigt die frappierende Überheblichkeit selbst ernannter Experten und demaskiert die Absurdität der Maßnahmen, die angesichts der jugendlichen Desertion ergriffen werden. Dabei werden auf äußerst amüsante Weise mehr oder weniger gut gemeinte Erziehungsratschläge als hilflose pädagogische Allgemeinplätze entlarvt.

Das alles ist unterhaltsam zu lesen, mit viel Sympathie für die gesellschaftsflüchtigen Jugendlichen geschrieben. Auch wenn die Rahmenhandlung, in die Vanderbeke ihre Satire einbettet, ein wenig blass bleibt, ermöglicht sie immerhin einen eleganten Ausstieg aus der Geschichte, ohne diese an ihr Ende bringen zu müssen. Stattdessen steht am Schluss ein hoffnungsvolles Bild: Widerstand gegen die gesellschaftliche Vereinnahmung ist wie Wellenreiten - jeder Einzelne rudert auf seinem Surfbrett hinaus aufs offene Meer. Zumindest vom Ufer aus betrachtet formieren sich die einzelnen Surfer weit draußen zu einem großen Schwarm. Dann stehen sie plötzlich wie auf Kommando auf. Und dann kommt die Welle.

(AP)
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