Interview mit Justus Haucap "Stadtwerke waren beim Steag-Kauf naiv"

Düsseldorf · Justus Haucap ist Mitglied der Monopol-Kommission und fordert eine Ökostrom-Quote zur Reform der Energiepolitik. Die Pläne von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, RWE und andere Versorger zu subventionieren, lehnt er ab. Den Fall der Roaming-Gebühren für Handy-Gespräche im Ausland auch.

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Foto: dapd

Zum Jahreswechsel steigt die Ökostromumlage auf 6,24 Cent je Kilowattstunde. Wie geht es weiter?

Haucap Die neue Bundesregierung muss schnell handeln, sonst wird die EEG-Umlage im Herbst 2014 sicher wieder angehoben. Dann wären auch mehr als sieben Cent denkbar. Schon jetzt zahlt eine vierköpfige Familie über Stromrechnung und höhere Güterpreise mehr als 1000 Euro im Jahr für die Ökostrom-Förderung. Das ist zu viel. Es ist höchste Zeit für echte Reformen.

Was schlagen Sie vor?

Haucap Als erstes muss der Einspeisevorrang fallen. Ökostromanbieter sollten Strom nur einspeisen, wenn die Nachfrage da ist. Ab 2015 sollten wir auf ein Quotenmodell für neue Ökostrom-Anlagen umstellen.

Wie funktioniert das?

Haucap Alle Versorger werden verpflichtet, einen Mindestanteil ihres Stroms — die Quote — aus erneuerbaren Energien zu liefern. Ob sie den Ökostrom selbst erzeugen oder einkaufen, ob es Solarstrom ist oder Windenergie, ob sie langfristige Lieferverträge abschließen oder an der Börse Ökostrom kaufen — das alles bleibt dann den Stromversorgern überlassen. Sie müsse nur per Zertifikat nachweisen, genug Ökostrom an ihre Kunden geliefert zu haben. Das sorgt für Wettbewerb auch bei Ökostrom. Nach Berechnungen der Wirtschaftsforscher am RWI lassen sich so bis 2020 bis zu 50 Milliarden Euro an Subventionen sparen.

Kritiker sagen, dann würde gar nicht mehr in Ökostrom investiert.

Haucap Das ist Panikmache. Es kommt auf die Ausgestaltung der Strafen (Pönalen) an, wenn jemand die Quote nicht erfüllt. In Großbritannien waren die Strafen zu niedrig. In Schweden aber klappt das gut: Hier muss ein Versorger 150 Prozent des Zertifikate-Preises zahlen, wenn er nicht genug Ökostrom an seine Kunden liefert. Hier ist das Quotenmodell erfolgreich.

Was ist mit Hausbesitzern, die gerade in Solaranlagen investiert haben?

Haucap Es gäbe eigentlich gute Gründe, überhöhte Förderzusagen zurückzunehmen, denn ein Grundrecht auf Überförderung und Traumrenditen ohne Risiko gibt es nicht. Aber politisch wäre dies nicht durchsetzbar. Umso wichtiger ist es, dass wir den weiteren Ausbau besser steuern als bisher.

Stadtwerke und RWE fordern nun Geld allein für die Bereitstellung von Kraftwerks-Kapazität. Der NRW-Wirtschaftsminister will das ebenfalls. Was halten Sie davon?

Haucap Von solchen Plänen halte ich wenig. Wir haben in Deutschland aktuell noch immer Überkapazitäten im Strommarkt. Am verbrauchstärksten Tag im Jahr 2012 lag das Stromangebot (ohne jeglichen Importstrom) noch immer um 16 Prozent über der Stromnachfrage. Es sind zuletzt einfach zu viele Kraftwerke, vor allem für Gas, gebaut worden, die jetzt nicht rentabel sind. Es ist nicht die Aufgabe des Steuerzahlers, unprofitable Kraftwerke mit Subventionen am Leben zu erhalten, nur weil es Überkapazitäten am Markt gibt.

Gilt das auch für die Stadtwerke Düsseldorf?

Haucap Investitionen in Gaskraftwerke, die nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme produzieren, können sich weiter lohnen.

RWE droht mit dem Abbau von 3500 Stellen in der Kraftwerkssparte, auch Eon baut tausende Stellen ab.

Haucap Ohne Zweifel stehen RWE, Eon und andere Erzeuger unternehmerisch nicht vor einfachen Aufgaben. Das ist betriebswirtschaftlich sicher eine Herausforderung, aber es ist kein gesamtwirtschaftliches Problem, das wir mit Steuergeldern lösen sollten.

Besonders klimafeindlich ist Braunkohle. Sollte RWE den Abbau in Garzweiler früher beenden?

Haucap Das ist Sache von RWE. Der Staat sollte die Rahmenbedingungen vorgeben und Genehmigungen erteilen. Staat und Wissenschaft sollten den Unternehmen aber nicht vorschreiben, welches Kraftwerk sie wie lange betreiben, wenn Genehmigungen erst einmal erteilt sind und alle Vorschriften eingehalten werden. Die Braunkohle-Kraftwerke zählen im Übrigen noch immer zu den profitabelsten Kraftwerken. Ich denke nicht, dass sie so schnell stillgelegt werden.

Ein weiteres Problem ist der nötige Netzausbau. Warum stockt der?

Haucap Durch die Trennung von Erzeugern und Netzen kommt es zu Fehlanreizen. Erzeuger bauen nicht nur Windparks am liebsten im Norden, sondern auch andere Kraftwerke, weil in den Seehäfen die Importkohle ankommt. Gebraucht wird der meiste Strom aber im Westen und Süden. Wie der Strom dahin kommt, ist den Erzeugern relativ egal, weil sie den Netzausbau nicht bezahlen müssen. Zudem wächst der Widerstand der Bürger.

Die Hamburger Bürger haben gerade ihr Verteilnetz zurückgekauft. Ein sinnvoller Weg?

Haucap Nein. Kommunalpolitiker sind keine besseren Unternehmer, im Gegenteil. Das zeigt auch ein Beispiel aus NRW. Beim Kauf des Versorgers Steag durch 7 Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet waren diese viel zu optimistisch, vielleicht auch naiv. Nun stellen sich die versprochenen Renditen nicht ein. Zudem: Was wollen die Ruhrgebiets-Kommunen mit Kraftwerken in Kolumbien, der Türkei und den Philippinen?

Ein anderer regulierter Markt ist die Telekommunikation. E-Plus und O2 wollen fusionieren. Sollte das Karteallamt das zulassen?

Haucap Vermutlich wird die EU-Kommission sich des Falles annehmen. Kritisch ist in jedem Fall, dass durch den Zusammenschluss einer der vier Netzbetreiber im Mobilfunk verschwinden würde und drei fast exakt gleich große übrig blieben. Gerade E-Plus und O2 waren aber bisher aktive Preisbrecher mit innovativen Preismodellen. Der neue Anbieter "O2-Plus" hätte nicht mehr so starke Anreize, als Preisbrecher aufzutreten, der Wettbewerb würde wahrscheinlich leiden.

Ist die Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone unbedenklich?
Haucap Ja, sie kann sogar zu einer Stärkung des Wettbewerbs führen. Die beiden waren bisher kaum Konkurrenten, sie ergänzen sich eher im Angebot.

Gut für Kunden soll auch die Abschaffung der Roaming-Gebühr sein, die die EU-Kommission plant. Was meinen Sie?

Haucap Das halte ich für Wahlkampf im Vorfeld der Europawahl im Mai. Man kann es mit der Regulierung auch übertreiben. Ohne Roaming-Gebühren werden die Mobilfunkanbieter versuchen, die fehlenden Erlöse woanders wettzumachen, z.B. durch weniger Investitionen in neue Netze oder durch das Zusammenstreichen der Smartphone-Subventionen. Für die Verbraucher wandert das Geld dann nur von der linken in die rechte Tasche, das nützt keinem. Oder will die EU-Kommission dann auch die Preise für iPhones vorgeben? Dann würgt man aber die Innovationen komplett ab!

Antje Höning führte das Gespräch.

(das)
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