Aussichtsreicher Kandidat als EZB-Präsident Mario Draghi - der unitalienische Banker

Berlin/Rom (RPO). Die Chancen für Mario Draghi stehen gut. Nach Medienberichten will nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Zentralbank unterstützen. Den Mann also, der zwar aus dem Schuldenstaat Italien kommt, aber bei Finanzexperten als so ganz und gar nicht italienisch gilt.

Laut dem "Wall Street Journal" ist Merkel zu dem Schluss gekommen, dass es keine praktikable Alternative zu Draghi gibt. Und tatsächlich wird der Kanzlerin kaum etwas anderes übrig bleiben. Denn der scheidende Bundesbank-Präsident Axel Weber hat auf seine Bewerbung verzichtet, obwohl er lange als heißer Kandidat galt. Eine Alternative aus der Bundesrepublik gibt es bislang nicht.

Und innerhalb der EU gibt es immer mehr Befürworter des italienischen Kandidaten, auch wenn er ausgerechnet aus jenem Land kommt, das mit seiner starken Verschuldung zu den Sorgenkindern innerhalb der Europäischen Union gehört. Neben Italien, Spanien und Luxemburg hat sich vor allem auch das gewichtige Frankreich für Draghi ausgesprochen - und damit erst einmal die Deutschen düpiert. Aber Regierungssprecher Steffen Seibert hatte bereits erklärt, dass das Thema "in Übereinstimmung zwischen Frankreich und Deutschland entschieden" werde.

Lange Staatssekretär im Schatzministerium

Was seine finanzpolitischen Erfahrungen angeht, gilt Draghi bei Experten durchaus als passender Kandidat für den Posten des EZB-Präsidenten. Ein europäischer Zentralbanker etwa sagte über den 63-Jährigen: "Er hat die Fähigkeit, Probleme analytisch anzugehen und nicht die Leute um die Probleme - eine Fähigkeit, die viele Politiker nicht haben." Wegen seines strukturierten Vorgehens bezeichnete ihn der Banker auch als ausgesprochen "unitalienisch".

Dabei hat Draghi viel Zeit in Italien verbracht, war etwa über Jahre im italienischen Schatzministerium tätig. In dieser Zeit half er der Regierung bei der Privatisierung vieler maroder Staatsbetriebe. Und er war es auch, so schreibt der Schweizer "Tagesanzeiger", der es Ende der 90er geschafft hat, Italien den Weg in die europäische Währungsunion zu ermöglichen. Seit 2005 leitet er inzwischen die italienische Zentralbank.

Aber auch seine internationalen Erfahrungen sprechen für sich. Er lehrte als Professor an der Harvard-Universität, arbeitete an den Maastricht-Regeln für die EU mit und war zuletzt auch als Chef des Finanzstabilitätsrates, der neue Regeln für die Finanzwelt aufstellen sollte nach dem Desaster der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Bei Goldman Sachs tätig gewesen

Doch es gibt auch einen kleinen Schatten auf dem Lebenslauf Draghis - mal ganz abgesehen davon, dass einige Kritiker keinen Mann an der Spitze der EZB haben wollen, der aus dem Schuldenstaat Italien kommt. Schließlich ist die Euro-Krise noch immer nicht überwunden. Vielmehr aber ist es seine Zeit bei der US-Bank Goldman Sachs, die Draghi nachhängt. Dort war er für das Europageschäft zuständig, und dem Geldhaus wird der Vorwurf gemacht, Griechenland bei der Schönung seiner Haushaltszahlen geholfen zu haben. Draghi selbst erklärte wiederholt, dass er mit diesen Vorgängen nicht betraut gewesen sei.

Gleichwohl sind ehemalige Kollegen und Wegbegleiter voll des Lobes für den Italiener, Er gilt als seriöser und zurückhaltender Pragmatiker. Ex-SPD-Finanzminister Peer Steinbrück bezeichnete ihn als "immer sehr souverän, sehr ruhig und fachlich exzellent", wie der "Spiegel" schreibt.

Francesco Giavazzi, ein italienischer Wirtschaftsprofessor und Kollege Draghis, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Draghi ist herausragend. Er weiß, was er will." Und ein Kollege aus der italienischen Zentralbank bezeichnete den zweifachen Familienvater als einen Mann, der gut mit Menschen umgehen kann und ziugleich einen spritzigen Humor habe.

Der Vertrauensvorschuss in den Italiener ist also groß. Ob er seiner möglicherweise neuen Aufgabe gewachsen sein wird, wird sich im Oktober zeigen, wenn Jean-Claude Trichet aus dem Amt als EZB-Präsident ausscheidet. Doch bis zum Juni heißt es noch abwarten. Erst dann will die EU über dessen Nachfolge entscheiden.

(mit Agenturmaterial)
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