Ethikkommission berät über Atomausstieg Eine alte Frage und wenig neue Antworten
Berlin (RPO). Es ist eine schon seit Jahren umstrittene Frage: Wie schnell kann Deutschland auf Atomkraft verzichten und komplett auf erneuerbare Energien setzen, ohne etwa den Klimaschutz zu vernachlässigen oder Strom massiv zu verteuern? Damit befasst sich nun auch die von der Bundesregierung eingerichtete Ethikkommission zur Energiepolitik.
Am Donnerstag stand in Berlin eine öffentliche Sitzung mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherverbänden auf dem Programm. In der meist sachlich geführten Debatte bestätigte sich allerdings vor allem, was der Kommissionsvorsitzende Matthias Kleiner schon zu Beginn als Motto der Gespräche ausgegeben hatte: "Es gibt keine einfachen Antworten."
Kleiner, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist, forderte von den Diskussionsteilnehmern aber auch eine "Vielfalt der Ideen" statt einen "Wettbewerb der Bedenken". Ausführlich wurde von Seiten der Wirtschaft dann aber doch dargelegt, welche Gefahren in einem schnellen Atomausstieg liegen.
Nur mit Atomkraft als Brückentechnologie könne auf neue Kohle- und Gaskraftwerke oder auf den Import von fossilem Strom oder Atomstrom verzichtet werden, sagte der Chef des Energieriesen Eon, Johannes Teyssen. Und warnte: "Eine zu kurze Brücke ist eine sinnlose Brücke. " Deutschland könne sonst etwa die Klimaziele nicht einhalten.
Eine kleine Auseinandersetzung zwischen Teyssen und dem renommierten Risikoforscher Ulrich Beck als Mitglied der Ethikkommission offenbarte aber auch, dass es bei der Atomkraft nicht nur um nüchterne Fakten und Zahlen geht. Die Bemerkung Teyssens, er spreche nicht nur als Konzernchef, sondern auch als Vater von vier Kindern, veranlasste Beck zu der provokanten Frage: "Wie konnten Sie als verantwortungsvoller Vater und verantwortungsvoller Investor nach Tschernobyl so bedenkenlos in Kernenergie als sichere Energie investieren?"
Teyssen entgegnete darauf, dass er selbst 20 Kilometer entfernt von einem Atomkraftwerk wohne. Mit Blick auf einen möglicherweise durch einen Atomausstieg provozierten höheren CO2-Ausstoß durch Kohle- oder Gaskraftwerke betonte der Eon-Chef, es gehe auch um die Frage, ob eine Entscheidung dazu beitrage, "den Planeten zu zerstört zu haben."
Sachlich, aber durchaus auch kontrovers verlief die Diskussion darüber, welche Bedingungen für eine Energiewende erforderlich sind. Voraussetzung dafür ist nach allgemeiner Überzeugung etwa der Ausbau der Stromnetze. So sollen "Stromautobahnen" Windstrom - dem in Deutschland eine Schlüsselrolle unter den regenerativen Energien zukommt - aus Windparks im Norden ins Landesinnere transportieren.
Doch wie groß der Ausbau konkret ausfallen muss, ist durchaus umstritten. Der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, Dietmar Schütz, machte in der Sitzung zum Beispiel deutlich, dass er auf dezentrale Versorgung und auf einen stärkeren Ausbau der Windenergie auch in Bayern und Baden-Württemberg setzt.
Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass die Energieeffizienz etwa durch Gebäudesanierung verbessert werden muss. Schwierig wird es aber wiederum, wenn es um die Kosten dafür geht. Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (DENA), Stephan Kohler, betonte mit Blick auf die dadurch auch für die Verbraucher langfristig fallenden Stromkosten: Es solle niemand so tun, als wenn die Einsparungen für Null zu bekommen seien. Keine klaren Antworten gab es in der Runde auch auf die Frage, was den Verbraucher ein Ausstieg aus der Atomenergie kosten könnte.
Bis zum 28. Mai soll die 17-köpfige Ethikkommission Empfehlungen für eine Energiewende vorlegen. Der Ko-Vorsitzende des Gremiums, der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU), dämpfte schon einmal die Erwartungen: Es könne nicht erwartet werden, dass sie alles "bis in die letzte Kilowattstunde" berechneten. Sie könnten nur diejenigen mit zusätzlichen Argumenten ausrüsten, "die wirklich zu entscheiden haben", nämlich Regierung und Parlament.