Über den Jahreswechsel Ufo ruft zu dreitägigen Streiks bei Germanwings auf

Berlin · Die Gewerkschaft Ufo hat die Flugbegleiter der Lufthansa-Tochter Germanwings zum Streik aufgerufen. Der Aufruf gelte vom 30. Dezember 0 Uhr bis zum 1. Januar 24 Uhr, teilte ein Sprecher der Gewerkschaft am Freitagabend mit.

Ein Airbus A319-132 der Fluggesellschaft Germanwings (vorne) startet vom Flughafen Hamburg aus.

Ein Airbus A319-132 der Fluggesellschaft Germanwings (vorne) startet vom Flughafen Hamburg aus.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Die Schlichter hätten bis zum heutigen Tag nach einer Lösung in dem Tarifstreit gesucht, aber ohne Ergebnis, sagte Ufo-Sprecher Daniel Flohr. Deshalb habe Ufo nun die Reißleine gezogen. Allerdings gehe die Gewerkschaft nicht gleich "aufs Ganze", es gehe nicht darum, möglichst schnell möglichst viele Passagiere zu schädigen. Vielmehr habe der Konzern noch die Möglichkeit, Tarifforderungen zu erfüllen.Weitere Streiks sollten erst nach dem 2. Januar verkündet werden. Die Tochter Germanwings ist noch mit etwa 30 Flugzeugen für die Marke Eurowings unterwegs, soll aber perspektivisch auf den Eurowings-Flugbetrieb verschmolzen werden.

Die Gewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) vertritt die Mehrheit der rund 22.000 Flugbegleiter bei der Lufthansa, nur ein kleinerer Teil wird von der konkurrierenden Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vertreten. Ufo fordert Lohnsteigerungen von zwei Prozent, höhere Spesen und Zulagen sowie eine Regelung für Saisonkräfte, damit diese einfacher in reguläre Angestelltenverhältnisse übergehen können. Darüber hinaus streiten die Kontrahenten aber über eine längerfristige Vereinbarung, bei der es um das schrittweise Abschmelzen von Altersvorsorge-Leistungen für die Beschäftigten gehen soll. Beide Seiten hatten einer Schlichtung zugestimmt. Die beiden Schlichter, der von der Lufthansa berufene frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, sowie der von der Gewerkschaft ausgesuchte frühere SPD-Chef, Matthias Platzeck, hatten bereits ihre Arbeit aufgenommen und mehrere Gespräche geführt. Ein weiteres soll es im Januar geben. Ufo bestätigte diesen Termin allerdings nicht.

In dem Konflikt hatte es bereits im November einen zweitägigen Streik bei der Lufthansa gegeben. Hier waren 1500 Flüge mit rund 200.000 Passagieren ausgefallen. Die Gewerkschaft UFO demonstrierte damit ihre Handlungsfähigkeit, denn zuvor hatte sie sich durch interne Querelen selbst geschwächt. Mehrere Vorstandsmitglieder waren zurückgetreten und hatten sich mit Untreue-Vorwürfen überzogen, was auch zu staatsanwaltlichen Ermittlungen geführt hatte, die noch nicht abgeschlossen sind.

Die Lufthansa hatte gegen Ufo einen harten Kurs gefahren und sogar ihre Gewerkschaftseigenschaft infrage gestellt. Den entsprechenden Gerichtsprozess entschied Ufo allerdings für sich. Zudem ist dem früheren Ufo-Chef Nicoley Baublies, einem einstigen Kabinenchef (Purser), mehrfach von der Lufthansa gekündigt worden. Auch gegen die aktuellen Vorsitzenden, Sylvia de la Cruz und Daniel Flohr, sollen mehrere Klagen des Konzerns vorliegen. Die Gewerkschaft verlangt nun eine Aufarbeitung dieser Schlammschlacht, was die Lufthansa aber ablehnt.

Der Tarifexperte des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, hat die Lufthansa im Tarifkonflikt mit der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO aufgefordert, vor der Fortführung des Schlichtungsverfahrens zunächst einen Mediator einzuschalten. „Hier scheint offensichtlich viel Vertrauen auf beiden Seiten verloren gegangen zu sein“, sagte Lesch unserer Redaktion.

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„Zunächst muss ein Mediator erst einmal mit den Parteien ausloten, ob sie überhaupt ernsthaft miteinander verhandeln wollen“, sagte Lesch. Die Gewerkschaft brauche offenbar mehr Gewissheit, dass die Lufthansa sie als Verhandlungspartner ernst nehme. „Erst wenn das in einer Mediation geklärt worden ist, kann die eigentliche Schlichtung beginnen“, sagte Lesch. Möglicherweise könne so die weitere Eskalation des Konflikts noch verhindert werden.

Der bekannte Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hat die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo scharf kritisiert. „Der Ufo-Streik ist in der gegenwärtigen Situation mitten im Schlichtungsverfahren überhaupt nicht nachzuvollziehen“, sagte Großbongardt unserer Redaktion. „In einer Schlichtung lässt man einander in Ruhe. Das kommt jetzt aus heiterem Himmel. Deshalb scheint mir das vor allem eine Profilneurose des bisherigen Ufo-Vorsitzenden zu sein“, sagte Großbongardt. Die Gewerkschaft verderbe den Germanwings-Passagieren ihren Weihnachtsurlaub ohne erkennbaren Grund. „Ich weiß nicht, ob sich Ufo damit einen Gefallen tut. Mit einem Streik torpediert die Gewerkschaft auch noch das laufende Schlichtungsverfahren“, sagte Großbongardt.

Auch der Hamburger Branchenexperte Cord Schellenberg sagte: „Der Zeitpunkt dieses Streiks ist vollkommen unangemessen. Er trifft vor allem Familien, die gerade im Weihnachtsurlaub sind.“ Die Lufthansa sei bei den Gehältern immer noch führend in der Branche. „Die Mitarbeiter müssen verstehen, dass es die alte Lufthansa so in Zukunft aber nicht mehr geben kann. Es sollten nicht weiterhin Tarifregelungen deutlich über dem Branchenschnitt eingefordert werden“, sagte Schellenberg. Er kritisierte aber auch den Konzern. „Die Lufthansa hat versucht, die Gewerkschaft gerichtlich infrage zu stellen und ist damit gescheitert. Diese Grundstrategie war nicht so schlau“, sagte Schellenberg. „Denn der Konzern steht im intensiven Wettbewerb und kann sich solche Streiks nicht leisten. Das sind ja fast schon französische Verhältnisse.“

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