Neue Waffen gegen Eurokrise gefordert Schäuble kanzelt Schuldenstaaten ab

Brüssel (RPO). Europa streitet offen über eine tragfeste Lösung in der Eurokrise. Schuldenländer wie Portugal und Italien rufen immer lauter nach einer neuen Waffe zur Abwehr einer Staatspleite. Finanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnet die Diskussion als unnütz. Unterdessen hat der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn die Europäische Union zu einer umfassenden Lösung der Schuldenkrise aufgefordert.

 Sieht in der aktuellen Situation kein Problem: Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Sieht in der aktuellen Situation kein Problem: Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Foto: AFP, AFP

Strauss-Kahn erklärte am Dienstag bei einem Besuch in Griechenland, die EU solle ihre von der Finanzkrise betroffenen Mitgliedsstaaten nicht als Einzelfälle behandeln. Zuvor hatten die Finanzminister der Eurozone bei einem Treffen am Montag beschlossen, zunächst keine weiteren Maßnahmen im Umgang mit der Finanzkrise zu ergreifen.

"Es besteht das Risiko großer Schwierigkeiten", sagte er mit Hinweis auf die verschiedenen Wachstumsraten in der Eurozone. "Ich glaube aber nicht, dass das Risiko besteht, dass Deutschland, wie ich manchmal in den Zeitungen lese, den Euro verlässt oder so ähnlich."

Der Chef des Internationalen Währungsfonds wollte in Griechenland mit Regierungsvertretern über veränderte Rückzahlungsbedingungen für einen Notkredit verhandeln. Dabei geht es darum, ob die Frist der Rückzahlung von bisher drei auf siebeneinhalb Jahre verlängert wird. Athen würde damit die gleichen Bedingungen für sein Hilfspaket erhalten wie Irland. In Athen protestierten vor der Ankunft von Strauss-Kahn rund 500 Rentner gegen den Sparplan, den die Regierung verabschiedete, um die Bedingungen von IWF und EU für den Notkredit zu erfüllen.

Portugal schloss sich am Dienstag der Forderung Italiens und Luxemburgs an, die Staatsschulden künftig über gemeinsame Euro-Anleihen zu finanzieren. Deutschland, Österreich und die Niederlande lehnen Eurobonds oder neue Milliarden für den Schutzschirm dagegen ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte, unnütze Diskussionen über neue Initiativen einzustellen und das umzusetzen, was schon beschlossen sei. Strauss-Kahn hatte am Montagabend mit den Finanzministern diskutiert und ihnen nahegelegt, den Schutzschirm zu vergrößern. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker berichtete nach der Sitzung dazu nur knapp, derzeit sei dies nicht notwendig.

Finanzmärkte bleiben unruhig

Nachdem Irland als erster Euro-Staat unter den Schirm flüchten musste, hat sich die Lage an den Finanzmärkten kaum beruhigt. In der Euro-Zone wächst die Angst, dass Irland auch Portugal, Spanien und womöglich noch andere Staaten in den Strudel aus steigenden Zinsen und Schulden geraten. Die Krise wäre dann völlig außer Kontrolle.

Nach Irland ist es nun an Portugal zu beteuern, keine Hilfe der Partnerländer zu brauchen. Dafür gebe es keinen Grund, sagte Ministerpräsident Jose Socrates. EU-Währungskommissar Olli Rehn forderte die Regierung in Lissabon auf, ihre Einsparungen für das kommende Jahr zu konkretisieren und Reformen für mehr Wachstum anzupacken. Socrates kündigte an, mit Gewerkschaften und Unternehmen eine Arbeitsmarktreform in Angriff zu nehmen. Finanzstaatssekretär Carlos Pina beklagte, es gebe zu wenig Solidarität unter den Euro-Ländern.

Deutschland sorgt sich wegen steigender Zinsen

Er schloss sich der Forderung des italienischen Finanzminister Giulio Tremonti und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker nach Eurobonds an. Es reiche nicht aus, Land für Land zu retten, sagte Tremonti. Er widersprach auch der Bundesregierung, dass dazu eine EU-Vertragsänderung notwendig sei.

Schäuble sagte, die Diskussionen seien weder zielführend noch notwendig. Deutschland lehnt als Marktführer bei europäischen Staatsanleihen gemeinsame Schuldverschreibungen aus Sorge über steigende Zinsen ab. Doch als Fernziel hält der Minister sie für möglich. Eine gemeinsame Schuldenfinanzierung der Euro-Länder könne es aber erst im Rahmen einer politischen Union geben, sagte Schäuble. Denn bei einer Finanzpolitik in nationaler Zuständigkeit seien Zinsunterschiede das einzige wirksame Disziplinierungsinstrument. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Andreas Schmitz, warnte, die Staaten hätten mit Eurobonds keinen Anreiz mehr, von ihren Schulden herunterzukommen.

Der Streit dürfte auch die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag nächster Woche in Brüssel beschäftigen. Sie wollen einen permanenten Krisenabwehrmechanismus für die Zeit nach 2013, wenn der Euro-Schutzschirm eingeklappt werden soll, auf den Weg bringen.

Irland-Paket unter Dach und Fach

Die EU-Finanzminister billigten unterdessen das milliardenschwere Rettungspaket für Irland. Das Euro-Mitglied soll als erstes Land mit Krediten von insgesamt 85 Milliarden Euro aus dem Schutzschirm vor der Pleite bewahrt werden. Die Regierung in Dublin war nach langem Zögern unter den Schutzschirm geflüchtet. Von den 85 Milliarden Euro stellt Irland 17,5 Milliarden Euro aus Pensionsfonds-Reserven selbst.

Die Regierung in Dublin muss mit dem Geld den angeschlagenen Bankensektor des Landes sanieren und den staatlichen Finanzbedarf decken. Mit der Garantie des Schutzschirms im Rücken sollen für Irland zinsgünstige Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen werden, so dass die Regierung in Dublin zwei Jahre lang keine eigenen Anleihen begeben muss.

(RTR/dapd/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort