Leere Staatskasse IWF will Schuldenschnitt für Argentinien

Düsseldorf · Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer schweren Rezession und hat wieder einmal große Probleme, die Schulden zu bedienen. Vor allem private Gläubiger sollen auf Geld verzichten.

 Ein Obdachloser schläft gegenüber dem Parlament in Buenos Aires.

Ein Obdachloser schläft gegenüber dem Parlament in Buenos Aires.

Foto: dpa/Natacha Pisarenko

Das bislang letzte Mal, dass Argentinien zahlungsunfähig war, liegt keine sechs Jahre zurück. Damals weigerten sich die Südamerikaner, Altschulden aus der Krise von 2001 an amerikanische Hedgefonds zurückzuzahlen, nachdem andere Gläubiger auf viel Geld verzichtet hatten und die Regierung in Buenos Aires fürchtete, mit Rückzahlungen an die Hedgefonds falsche Signale auszusenden. Folge der Weigerung: Argentinien wurde für zahlungsunfähig erklärt, die Wirtschaftsleistung stürzte ab, die Arbeitslosenzahlen stiegen, die Landeswährung Peso verfiel.

Von diesem Rückschlag hat sich die damals ohnehin kränkelnde zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas nicht wirklich erholt. Das Land steckt in einer schweren Rezession, die Inflationsrate ist auf gewaltige 54 Prozent gestiegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), wichtigster Geldgeber im Land der Gauchos, hat nun einen Schuldenschnitt empfohlen. Es brauche einen „bedeutenden Beitrag von privaten Gläubigern“, um Argentiniens Verschuldung mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig vertretbar zu machen, teilte der IWF mit. Der Währungsfonds selbst hat mehr als 50 Millionen Euro offen und kann wegen der eigenen Statuten nicht mal auf Teile der Rückzahlung verzichten. An Private muss Argentinien mehr als 100 Millionen Euro zahlen.

Sie müssten Verzicht in großem Stil üben. Wenn man wissen will, was das bedeutet, kann man sich den Kurs argentinischer Staatsanleihen anschauen, die in den nächsten Jahren fällig werden. Die liegen häufig um die 50 Prozent und sind ein veritables Indiz dafür, wie sehr an den Finanzmärkten ein Zahlungsausfall befürchtet wird. Nach dem Staatsbankrott 2001/2002 beklagten die Gläubiger übrigens Forderungsausfälle von 70 Prozent.

Wie unsicher ein Investment in Argentinien für Anleger war und ist, sieht man auch an der angebotenen Verzinsung der Staatspapiere. Diese Anleihen sind teilweise erst vor drei oder vier Jahren ausgegeben worden, als Sparverträge bei Banken in Deutschland und anderswo sich schon langsam und kontinuierlich der Nullzins-Linie näherten. In dieser Zeit feierten die Argentinier 2016 die Rückkehr an die internationalen Kapitalmärkte. Die Investoren rissen sich um die Papiere und hatten offenbar kein Problem damit, einem Land Geld zu leihen, über dem kurz zuvor noch die Pleitegeier gekreist hatten. Die Gier war mal wieder größer als der Verstand. Dabei hätten zwischen sechs und acht Prozent Zinsen eigentlich ein Alarmsignal sein sollen, denn solche Renditen gibt es nur bei hohem Risiko.

Argentinien jedenfalls kann diese Renditen inmitten der Rezession nicht erwirtschaften. Die Schulden des Landes sind mittlerweile auf rund 90 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Damit liegen sie zwar sogar noch unter denen der meisten EU-Mitgliedsstaaten, die die im Maastricht-Vertrag verankerte Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts längst gerissen haben. Aber ohne durchgreifende Erholung von Wirtschaft und Währung ist Argentinien bei der Rückzahlung seiner Verbindlichkeiten ein weitaus unsichererer Kantonist.

Entsprechend bescheiden und kleinlaut sind die Südamerikaner derzeit. „Wir sind überein gekommen, dass die Staatsverschuldung Argentiniens nicht mehr tragbar ist und restrukturiert werden muss, damit das Land wieder wachsen kann“, sagte Wirtschaftsminister Martín Guzmán.

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