Staatskonzern in der Krise Die Bahn will 200 weitere Züge anschaffen

Berlin · Die Bahn wird derzeit besonders oft kritisiert: unpünktlich, schlechte Technik, zu wenig Züge. Jetzt sollen insgesamt sechs Milliarden Euro in die Flotte fließen. Neben neuen ICE sollen auch mehr Doppelstockwagen im Fernverkehr zum Einsatz kommen. Fahrgastvertreter sehen das kritisch.

 Noch in diesem Jahr sollen 15 neue ICE der vierten Generation aufs Gleis kommen.

Noch in diesem Jahr sollen 15 neue ICE der vierten Generation aufs Gleis kommen.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Immer mehr Menschen nutzen Züge für weite Strecken. Die Deutsche Bahn will deswegen mit neuen Fahrzeugen mehr Kapazitäten im Fernverkehr schaffen. So bestellt der Konzern 23 Eurocity-Züge, zudem sollen noch in diesem Jahr 15 neue ICE der vierten Generation sowie zehn weitere Doppelstock-Intercity aufs Gleis gehen. Insgesamt sollen bis 2024 rund 200 neue Züge für mehr als sechs Milliarden Euro in die Flotte kommen. Daneben würden ältere ICE 1 und ICE 3 generalüberholt.

Damit wolle die Bahn die Tendenz fortschreiben, „dass so viele Menschen wie niemals zuvor mit unseren ICE- und IC-Zügen fahren“, sagte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber am Dienstag. 145 Millionen Fahrgäste zählte die Bahn im vergangenen Jahr im Fernverkehr, vier Jahre zuvor waren es noch 129 Millionen. 2015 wollte der Konzern mit einem neuen Konzept mehr Menschen vom Bahnfahren überzeugen. Kürzere Taktungen und Sprinter-ICE auf bestimmten Strecken gehörten zum Plan.

Doch zuletzt häuften sich die Probleme: Der schon 2015 geforderte „Deutschland-Takt“ mit einem ideal aufeinander abgestimmten Fahrplan fehlt bis heute, viele Züge fallen aus, die Pünktlichkeitsziele erreichte die Bahn nicht. Kritiker machen den bisherigen Sparkurs für die Misere verantwortlich, jüngst bestellte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Bahnchef Richard Lutz wiederholt zum Rapport. Jetzt sieht sich die Bahn verstärkt unter Druck. Für Lutz wird es ein Bewährungsjahr, um den Konzern aus der Krise zu manövrieren.

Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte die angekündigten Flottenpläne grundsätzlich. „Es ist gut, dass die Bahn jetzt in neue ICE 4 investiert und alte Modelle generalüberholt“, sagte der Ehrenvorsitzende des Verbands, Karl-Peter Naumann, unserer Redaktion. Jeder ICE werde gebraucht. Auch was die Menge angeht, sei der Konzern auf dem richtigen Weg. In den nächsten Jahren sollen unter anderem 58 ältere ICE 1 und 65 ICE 3 auf den neuesten Stand gebracht werden.

Doch Naumanns Zustimmung hat Grenzen: „Völlig anders ist das bei den geplanten Investitionen in doppelstöckige Intercity-Züge. Die sind für den Fernverkehr nur bedingt geeignet“, sagte er. Doppelstockwagen in Deutschland seien nicht dafür konzipiert, dass viele Menschen mit viel Gepäck darin fahren. Außerdem fehle ein Bord-Bistro. In der Schweiz ist das anders gelöst. Dort müssen Fahrgäste in Doppelstockwagen nur einmal eine Treppe nach oben gehen und können dann über die gesamte Zuglänge auf der Ebene die Wagons wechseln. Bahn-Experte Naumann verweist mit seiner Kritik auf eine schlechte Planung in zurückliegenden Jahren. „Weil in der Vergangenheit zu große Mengen dieser Züge vereinbart wurden, müssen sie jetzt zum Einsatz kommen“, sagte er. „Die Leidtragenden dieses Managementfehlers werden die Fahrgäste sein.“ Naumann hätte es begrüßt, würden mehr einstöckige Züge im Fernverkehr eingesetzt.

Bahnvorstand Huber gab sich optimistisch. Die Umsetzung der 2015 gestarteten Angebotsausweitung auch in die Fläche sei bereits in Gang. Bis 2030 solle ein neues ICE-Netz mit bis zu zwei Verbindungen pro Stunde zwischen Metropolen aufgebaut werden. Über Intercitys sollen nahezu alle Großstädte im Zwei-Stunden-Takt an den Fernverkehr angebunden werden. Darunter seien 190 neue Direktverbindungen aus der Fläche in die 50 größten Städte. „Bis 2030 werden wir dann in der Lage sein, sogar 200 Millionen Menschen im Fernverkehr zu befördern“, sagte Huber.

(jd)
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