Gesundheitswesen Patientenakten auf dem Tablet

Düsseldorf · Seit dem 1. Januar gibt es eine App für die elektronische Patientenakte, die Gesundheitsdaten von Versicherten verwalten soll. Dabei ist der Diskussionsbedarf zwischen den Beteiligten noch groß.

                        

                       

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wissen Sie noch, wie lange Ihr letzter Check-up zurückliegt? Oder können Sie genau sagen, welche Medikamente Ihre betagten Eltern einnehmen? Welche Blutgruppe Sie selbst haben? Antworten auf diese Fragen fallen mitunter schwer. Doch damit soll bald Schluss sein, dank der elektronischen Patientenakte (Epa). In der sollen Patientendaten gespeichert werden – Untersuchungsbefunde, Röntgenbilder, Medikamentenpläne. Seit dem 1. Januar müssen alle gesetzlichen Kassen ihren Versicherten eine App anbieten, mit der diese Zugang zur Epa bekommen. Ein Projekt für Versicherte, Arztpraxen, Pflegedienste, Therapeuten, Apotheker, Krankenkassen. Wichtig: Die Epa-Nutzung soll freiwillig sein.

Noch ist die Resonanz gering. Bei der Barmer beispielsweise hatten die App zuletzt rund 3300 Versicherte heruntergeladen – von 8,9 Millionen Mitgliedern. Bei der IKK waren es etwa 600 von 3,2 Millionen Versicherten. Bei der Techniker-Krankenkasse (TK) nutzen rund 30.000 Menschen die an die TK-App gekoppelte Patientenakte, aber auch das sind kaum 0,3 Prozent der 10,7 Millionen Versicherten.

Zunächst soll der Patient mithilfe der App Daten speichern. Die Datenbefüllung durch Mediziner ist gerade im Testlauf – mit etwa 200 Arztpraxen in Westfalen-Lippe, Bayern und Berlin. Erst in der zweiten Jahreshälfte sollen alle Kassenärzte mitmachen. Bei dem Testlauf geht es vor allem um die Konnektoren, die den Zugang zum geplanten Netzwerk ermöglichen, ähnlich einem Internet-Router. Wenn das reibungslos und datensicher funktioniert, ist der Weg für den flächendeckenden Einsatz frei.

Bonusheft für den Zahnarzt, Daten zu Frühuntersuchungen für Kinder, Impfausweis, Mutterpass – alles soll rein. Doppeluntersuchungen können vermieden werden, jeder Arzt könnte schnell über alle wichtigen Daten verfügen, wenn der Patient zugestimmt hat. Es wird schneller dokumentiert, Überweisungen, Rezepte und Befunde können rascher übermittelt werden. Auch die Zahl falscher Behandlungen und Medikationen könnte abnehmen. Digitale, zentrale Speichermedien rücken an die Stelle von Zettelwirtschaft und CD-Roms.

Bei der Frage nach den Nachteilen ist die nach dem Datenschutz wie immer brisant. Was in der Epa gespeichert wird, legt der Patient zunächst selbst fest. Aber was welcher Arzt erfährt, können die Versicherten erst 2022 bestimmen. Bis dahin gilt, wenn die E-Akte genutzt wird: Alle sehen alles, oder keiner sieht irgendetwas. Eine Wahlmöglichkeit gibt es noch nicht.

Datenschützer sind skeptisch. „Versicherte, die kein sogenanntes Front-End nutzen können oder wollen, werden dauerhaft keine ausreichende Kontrolle über ihre Daten haben“, kritisiert der Bundesdatenschutz-Beauftragte Ulrich Kelber. Front-End heißt: das Smartphone oder das Tablet, aber beispielsweise nicht der PC zu Hause. Mit Kassenterminals oder Tablets in Arztpraxen könnte aus Sicht der Datenschützer Abhilfe geschaffen werden.

Kelber als Aufsichtsvertreter will von den Kassen bis Ende Januar wissen, wie sie die elektronische Patientenakte umsetzen wollen. Dies hat er schon im November gefordert, aber kaum Resonanz gespürt: „Ich hatte erwartet, dass ich bis spätestens zum Jahresende 2020 entsprechende Antworten erhalte. Ich habe bis jetzt nur wenige Antworten erhalten, die darauf verweisen, dass der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) an einer abgestimmten Antwort arbeitet. Das ist angesichts der vom Spitzenverband behaupteten klaren Rechtslage verwunderlich und nicht akzeptabel. Ich werde die Krankenkassen jetzt auffordern, mir die Informationen bis spätestens Ende Januar zu liefern. Erst dann kann ich entscheiden, welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ich ergreifen werde“, so Kelber. Wer die Antworten geben soll, darüber herrscht bei den Kassen noch keine Einigkeit. „Der Lenkungsausschuss der Krankenkassen wird den GKV-Spitzenverband bitten, im Namen aller Kassen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zu antworten“, teilt die Barmer auf Anfrage mit. Die Ansicht des GKV-Spitzenverbandes zu dem Thema: Er sei hierzu vom Bundesdatenschutzbeauftragten nicht angeschrieben worden, sondern die einzelnen Kassen. Will heißen: Sollen die selbst antworten.

Doch das Identifikationsverfahren hat Diskussionen ausgelöst. Bei einigen Kassen müssen die Versicherten, nachdem sie die App heruntergeladen haben, in eine Geschäftsstelle kommen, um ihre Akte freischalten zu lassen. Bei anderen ist das digital möglich. Auch damit haben Experten und Datenschützer Probleme. Die Kassen dagegen sehen ihre Verfahren als unbedenklich an und im Einklang mit den EU-Regeln. Zu guter Letzt sind nicht alle Ärzte glücklich mit der Epa. Beim Hochladen könnten falsche Informationen übermittelt werden, durch die Ärzte falsche Schlussfolgerungen zögen, ist eines der Mediziner-Argumente. Viele glauben, dass handschriftliche Aufzeichnungen ausführlicher seien und mehr relevante Details enthielten.

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