Arbeitsministerin drückt auf Tempo Rentenreform verschlingt Milliarden

Berlin · Arbeitsministerin Andrea Nahles hat im Eiltempo das Gesetzespaket zur Rentenreform vorgelegt. Die Regelungen sollen zum 1. Juli in Kraft treten. Uneinigkeit gibt es noch über die Ausgestaltung der abschlagfreien Rente ab 63 Jahren.

 Arbeitsministerin Andrea Nahles.

Arbeitsministerin Andrea Nahles.

Foto: dpa, Daniel Naupold

Die geplante Rentenreform löst für Jahrzehnte zusätzliche Milliardenbelastungen für die Beitragszahler und die Steuerzahler aus. Allein bis 2020 werden insgesamt 60 Milliarden Euro fällig. Dies belegt der Gesetzentwurf zur Rentenreform, den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Eiltempo auf den Weg gebracht hat.

Die Rentenexperten in ihrem Ministerium hatten über die Jahreswende durcharbeiten müssen. Am Mittwochabend ließ die Ministerin den Gesetzentwurf an die anderen Ressorts und an knapp 60 Verbände, Institutionen und Gewerkschaften verschicken. Die Grünen kritisierten die Pläne für die Mehrausgaben gestern als "reinsten Irrsinn".

Herzstück der Reform ist die geplante Erhöhung der Mütterrente, die allein bereits im kommenden Jahr 6,7 Milliarden Euro verschlingt. Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, sollen ab dem 1. Juli monatlich pro Kind rund 28 Euro mehr Rente erhalten.

Von der abschlagfreien Rente ab 63 Jahre profitieren vor allem Männer aus den Jahrgängen der Baby-Boomer-Generation. Voraussetzung für eine Rente ab 63 sind 45 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rente. Noch gibt es Uneinigkeit zwischen Union und SPD, wie mit Zeiten der Arbeitslosigkeit umgegangen wird. Nahles sieht in ihrem Gesetzentwurf vor, dass grundsätzlich Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I bezogen wurde, angerechnet werden sollen. In den Koalitionsverhandlungen hatte man sich mündlich darauf geeinigt, dass bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit zu den 45 Versicherungsjahren zählen dürfen. Der Streit soll bei der Klausurtagung in Meseberg befriedet werden. Dieser Teil der Reform, auf dem die SPD bestanden hatte, kostet in diesem Jahr 900 Millionen Euro. Die Summe für die 63er Rente wächst und wird dem Gesetzentwurf zufolge im Jahr 2030 bei 3,1 Milliarden Euro liegen.

Bei der 63er Regelung bleibt es nicht dauerhaft: Das Alter für die abschlagfreie vorgezogene Rente soll parallel zur Erhöhung des regulären Renteneintrittsalters auch Monat um Monat angehoben werden. Dies wiederum führt dazu, dass Arbeitnehmer, die 1964 oder später geboren sind, nur eine abschlagfreie Rente ab 65 Jahre erhalten können. Ab dem Jahrgang 1964 müssen andere Arbeitnehmer, die keine 45 Versicherungsjahre vorweisen können, mit 67 Jahren in Rente gehen, um ihre vollen Altersbezüge zu erhalten.

Das Reformpaket sieht zudem eine höhere Erwerbsminderungsrente und ein höheres Budget für Kuren infolge von Krankheiten und Unfällen vor.

Wegen des guten Finanzpolsters von rund 30 Milliarden Euro in der Rentenversicherung können die teuren Maßnahmen in dieser Wahlperiode ohne zusätzliche Mittel finanziert werden. Ab 2019 sollen zusätzliche Bundesmittel in die Rentenkasse fließen, "die bis zum Jahr 2022 stufenweise auf rund zwei Milliarden Euro jährlich anwachsen", heißt es im Gesetzesentwurf. Schon heute beträgt der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung 81 Milliarden Euro jährlich.

Teile der Union sind dagegen, zusätzliche Mittel für die Rentenkasse in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs forderte, dass die zusätzlichen Kosten für die Rentenreform aus Mitteln des Arbeitsministeriums finanziert werden. "Wenn das Arbeitsministerium nur zwei Prozent seines Haushalts einspart, dann stehen 2,4 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für die Rente zur Verfügung", sagte Fuchs unserer Zeitung. Die Einsparungen seien beispielsweise bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen möglich, betonte er.

Die Reformen werden am Ende von Beitragszahlern, Steuerzahlern und sogar den Rentnern selbst finanziert werden müssen. Dass auch die Rentner mitbezahlen, hängt mit der komplizierten Rentenformel zusammen: Wegen der hohen Rücklagen hätte die Regierung eigentlich zum 1. Januar 2014 den Beitragssatz zur Rentenversicherung senken müssen. Diese Senkung wurde ausgesetzt, um ein noch höheres Finanzpolster in der Rentenversicherung anzusparen. Die ausgebliebene Senkung des Beitragssatzes und die höheren Zahlungen aus der Rentenkasse wiederum führen dazu, dass die allgemeinen jährlichen Rentenerhöhungen etwas niedriger ausfallen werden.

(qua)
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