Querschnitt durch die deutsche Konsumgeschichte 100. Quelle-Katalog: Kittelschürzen und Fritteusen

Düsseldorf (RP). 1954 erschien der erste Quelle-Katalog. Heute wird der Klassiker zum 100. Mal ausgeliefert. Die dicken Wälzer spiegeln die Konsum-Geschichte der Bundesrepublik.

Für Alt-Bundespräsident Roman Herzog ist der dicke Wälzer das "Leitfossil unseres Zeitalters". Der Literat Hans Magnus Enzensberger nennt das Werk die "letzte historische Variante der Enzyklopädie". Nein, die Bewunderung gilt nicht dem Brockhaus. Gemeint ist ein Werk, dessen Titelseite eine brünette Schönheit im weißen Strickanzug zeigt. "Unser 100ster Hauptkatalog mit vielen Extras", steht darunter.

Das "Leitfossil unseres Zeitalters" ist der Quelle-Katalog. Heute wird die Konsum-Bibel zum 100. Mal ausgeliefert. Zwölf Millionen Haushalte erhalten den Hochglanz-Prospekt. 1500 Seiten, 70 000 Artikel. Ein Klassiker.

Das Versandkaufhaus Quelle wurde 1927 in Fürth von dem Exportkaufmann Gustav Schickedanz gegründet. Das Angebot, Waren ohne Einkaufsstress einfach im Katalog ankreuzen zu können, kam vielen Deutschen entgegen. Schon 1936 übersprang die Kundenzahl die Millionengrenze. Nach dem Krieg wurde 1948 das erste Quelle-Kaufhaus eröffnet. Der erste Hauptkatalog erschien 1954 - mit 70 Seiten und 1200 Artikeln. Heute werden pro Jahr bis zu 40 Millionen Bestellungen registriert.

Symbol des Wirtschaftwunders

Die Quelle-Story. Gründer Gustav Schickedanz wurde zu einer Symbolfigur des Wirtschaftswunders. "Beste Qualität zum günstigsten Preis", versprach der Franke. Waschmaschinen, Kühltruhen, Radios - Luxusartikel von einst - wandelten sich zu Gebrauchsgegenständen. "Demokratisierung des Luxus" nannte das Schickedanz damals. Seine Tiefpreisstrategie (Slogan: "Erst mal sehen, was Quelle hat") erfüllte die Wünsche von Millionen. Historiker sehen in den Katalogen einen Spiegel der deutschen Konsumgeschichte.

In den 50er Jahren, als die erste Reisewelle der Deutschen Richtung Süden rollte, präsentierte Quelle die ersten Campingbusse. In den 60ern drängten Fernseher und Musiktruhen ins Sortiment. Die 70er brachten Bonanza-Räder, Hot-Pants und Heim-Fritteusen. Sogar Kondome werden seither diskret ins Haus geliefert. Videokameras, Computer, Handys rückten in den letzten Jahrzehnten auf die Angebotsliste. Einige Dauerbrenner haben sich bis heute als Verkaufsschlager gehalten. "Hosenanzüge und Kittelschürzen zum Beispiel", sagt Quelle-Sprecher Erich Jeske.

Pro Tag 190.000 Päckchen

Pro Tag werden im Leipziger Versandzentrum 190 000 Päckchen gepackt. Werbespots mit Stars wie Iris Berben, Veronica Ferres oder Esther Schweins sollen das eher biedere Image des Versandhaus-Riesen modernisieren. Derzeit schmückt sich Quelle in TV-Spots mit dem Fernseh-Moderator Günther Jauch. "Er passt ideal zu uns, weil er Werte wie Vertrauen, Seriosität, Qualität und Zuverlässigkeit verkörpert", schwärmt Quelle-Vorstandschef Christoph Achenbach.

Verbraucherschützern stößt derlei Eigenlob allerdings übel auf. Neue Werbeaktionen, bei denen Fahrräder und Autos weit unter dem Listenpreis angeboten werden, sind Jürgen Schröder, Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf, nicht transparent genug: "Da wird nicht klar, wer am Ende der Vertragspartner des Kunden ist." Auch bei den allgemeinen Geschäftsbedingungen sieht der Experte Defizite: "Wenn ein Artikel nicht vorrätig ist, behält sich Quelle vor, ,nach Preis und Qualität gleichwertige Ware` zuzustellen. Aber wer will schon etwas Anderes bekommen als er aus dem Katalog bestellt hat?"

Marion Gierden betreibt eine Quelle-Filiale in Düsseldorf-Oberbilk. Sie kennt angeblich nur zufriedene Kunden. "Viele wissen zu schätzen, dass man bei Quelle auch auf Raten kaufen kann", so die Geschäftsfrau. Der weiße Pullover ("Romantik-Look mit Trompeten-Ärmeln"), den das Model Eva Padberg auf dem Jubiläumstitel trägt, kostet übrigens 19 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort