Ex-Football-Profi „Ich wollte mein Leben nicht für eine längere NFL-Karriere riskieren“

Düsseldorf · Björn Werner galt als das größte Football-Talent, das je von Deutschland in die USA ging. Doch in der NFL spielte der Berliner nur drei Jahre. Im Interview erzählt er, warum er mit seiner Karriere trotzdem zufrieden ist und er über Trump nur den Kopf schütteln kann.

 Der ehemalige Football-Spieler Björn Werner.

Der ehemalige Football-Spieler Björn Werner.

Foto: Köhlen

American Football erlebte in Deutschland zuletzt einen regelrechten Hype, Rekord-Einschaltquoten inklusive. Die neue Saison ist gerade gestartet. Wir haben mit Björn Werner (28), ehemaliger Verteidiger der Indianapolis Colts, gesprochen.

Der Tagesspiegel hat 2017 nach ihrem verletzungsbedingten Karriere-Ende getitelt: „Schulter, Fuß, Knie, Schluss.“ Wie geht’s Schulter, Fuß und Knie heute?

Björn Werner: Also meine Karriere habe ich vor allem wegen anhaltender Knieprobleme beendet. Mein Körper fühlt sich heute ganz gut an. An das Leben ohne Profisport musste er sich aber erstmal gewöhnen. Anfangs habe ich extrem zugenommen, wog plötzlich 130 Kilo und habe dann meine Ernährung und Training umgestellt. Heute bin ich wieder bei 119 Kilo auf 1,91 Metern und fühle mich fit.

Sie waren 26 Jahre alt, als sie Ihren Rücktritt vom Profisport erklärt haben. Wie lebt es sich als sportlicher Früh-Pensionär?

Werner: Sehr gut lebt es sich. Ich stecke sehr viel Zeit und Herzblut in mein Projekt „Gridiron Imports“. Ich möchte es jungen, internationalen Footballern ermöglichen, Schule und Sport in den USA zu kombinieren. Außerdem betreue ich Football-Trainingscamps in Deutschland und arbeite auch nächste NFL-Saison wieder als Experte in Deutschland. Ich führe ein sehr flexibles, gutes Leben.

Sie haben in der Jugend in Berlin Football gespielt und sind im im Alter von 19 Jahren für Football an die Uni nach Florida gegangen. Sie haben alles in Ihrem Leben immer auf den Sport gesetzt – am Ende für drei verletzungsreiche Jahre als NFL-Profi bei den Indianapolis Colts.

Werner: Das ist der typisch deutsche Pessimismus (lacht). Die Erfahrung, in den USA studiert und an der Uni Football gespielt zu haben, ist unglaublich. Ich habe drei Jahre lang studiert und gleichzeitig Football vor 85.000 Menschen gespielt. Ich wurde wie ein Superstar behandelt. Wenn ich heute zurückdenke, vermisse ich die Zeit an der Uni mehr als die NFL-Zeit. Aber: Ich habe danach auch drei Jahre in der besten Football-Liga der Welt gespielt. Diese Erfahrung nimmt mir niemand. Und jetzt bin ich 28 Jahre alt, habe ein Haus in Florida und bin immer noch mit meinem Sport unterwegs. Alles hat sich gelohnt, ich würde es immer wieder genauso machen.

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Sie sagten mal: „Football ist, als ob du jede Woche in einen Autounfall verwickelt bist.“ Würden Sie ihren beiden Mädels erlauben, den Sport auszuüben?

Werner: Wenn sie wollen, dürften meine Kinder auch Football spielen, klar. Die Sportart ist ja in den letzten Jahren schon schlauer geworden. Früher hat man bei einer Verletzung irgendwelche Mittelchen genommen, damit man einfach spielen kann. Der Druck war abnormal hoch. Das bessert sich langsam, weil es immer mehr Spieler gibt, die freiwillig nach drei, vier Jahren in Rente gehen. Die könnten ohne Schmerzmittel nicht mehr auf NFL-Niveau spielen und wollen so nicht spielen. Genauso war es bei mir auch. Ich wollte mein weiteres Leben nicht für ein, zwei weitere Jahre in der NFL riskieren. Und Gefahren gibt es ja auch in nahezu jeder anderen Sportart. Boxen oder Formel 1, um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Man sagt nicht umsonst: „Sport ist Mord“.

Für dieses Risiko wird man als Football-Profi auch gut entlohnt.

Werner: Das ist auch so ein Irrglaube. Klar, die Stars bekommen fette Millionen-Gehälter. Aber von 53 Spielern im Kader sind das vielleicht fünf. Klar, man kann nicht allen 53 Millionen-Verträge geben, aber ein großer Teil dieser Spieler wird wie ein Stück Fleisch behandelt. Bezahlt wird da nur, wer auch spielt. Wer verletzt ist oder von den Trainern keine Chance bekommt, verdient auch kein Geld. Die Team-Besitzer und die Liga sollten dafür sorgen, dass auch diese Spieler mehr finanzielle Sicherheit bekommen für das Risiko, was sie Tag-täglich im Training eingehen. Immerhin ist die NFL die profitabelste Sportliga der USA (rund acht Milliarden Dollar Gewinn in der vergangenen Saison. Anm. d. Red.).

Deutschland ist in Sachen Football ein Entwicklungsland. Aber eines mit Hochkonjunktur. Die Einschaltquoten im Internet und TV sind gut, die Begeisterung ist groß. Womit erklären Sie das?

Werner: Als ich mit Football angefangen habe, waren wir von den heutigen Verhältnissen weit entfernt. Der Hype begann meiner Meinung nach, als erst Markus Kuhn (2012) in die Liga kam, dann ich (2013) und schließlich Sebastian Vollmer zum ersten Mal mit seinem Team die Meisterschaft gewonnen hat (2014). Als ich damals als erster Deutscher in der ersten Draft-Runde gezogen wurde und nach Indianapolis gegangen bin, war das Interesse riesig. Sat1 hat danach angefangen, die Spiele live zu zeigen und dabei ein richtig gutes Konzept gehabt. Die setzen auf Interaktion mit den Zuschauern und erklären viel. Das macht als Zuschauer Spaß und wächst entsprechend weiter. Wenn du heute in Deutschland Sonntagsabends kein Football guckst, bist du eigentlich ein Loser (lacht).

Wäre in diesen Zeiten nicht eine Rückkehr der NFL Europa sinnvoll? Anfang des Jahrtausends kamen schon 25.000 ins Düsseldorfer Rheinstadion, wenn „Rhein Fire“ gespielt hat.

Werner: Die NFL hat damals viel Geld in dieses Projekt gesteckt und irgendwann gesagt: Das ist es uns nicht wert. Ob die Liga das damals richtig angegangen ist, da gehen die Meinungen auseinander. Für uns Europäer war das super, und viele ehemalige NFL-Spieler, die damals auch in Deutschland gespielt haben, fanden es richtig gut. Natürlich wäre es cool, wenn es eine Neuauflage gäbe. Ich glaube aber, dass die NFL lieber zehn echte NFL-Saisonspiele in Europa austragen lässt, als nochmal eine eigene Liga aufzubauen.

Im Basketball gibt es mittlerweile zahllose ausländische Stars in den USA. Wieso tut sich die NFL mit internationalen Spielern so schwer?

Werner: Football ist ein Sport, für den man einen extrem langen Atem braucht, bis man damit Geld verdienen und als Profi auf höchstem Niveau in der NFL spielen kann. Im Basketball geht das wesentlich schneller. Da kann man – ähnlich wie im Fußball – mit 18, 19 schon ein Star sein und aus Europa direkt in die NBA gehen. In der NFL geht das nicht. Du musst vorher mindestens drei Jahre an der Uni spielen, die jüngsten NFL-Spieler sind 21. Mit 30 bist du dann schon ein alter Sack und denkst über dein Karriere-Ende nach, weil die Verletzungsrate sehr hoch ist. Heißt: Dein Zeitfenster als Profi ist sehr klein und der Weg zum Profi sehr hart. Das schaffen nicht viele.

Was dem deutschen Football auch kommende NFL-Saison fehlt, ist ein echtes Aushängeschild. Eine Art Dirk Nowitzki des Footballs.

Werner: Ja, uns fehlt aktuell jemand, der Schlagzeilen schreiben kann, das stimmt schon. Aber ich bin mir sicher, dass in etwa vier Jahren die nächste Welle deutscher NFL-Spieler kommt. In der aktuellen Saison spielen 15 bis 20 deutsche Talente an hochklassigen Unis in den USA. Von denen werden es garantiert einige in die NFL schaffen und dann hoffentlich auch wieder fette Schlagzeilen schreiben (lacht).

In Kasim Edebali (Chicago Bears) und Mark Nzeocha (San Francisco 49ers) dürfen in der neuen Saison immerhin zwei Deutsche auf Spielzeit hoffen. Was trauen Sie ihnen zu?

Werner: Die beiden haben sicherlich die besten Chancen, dass wir sie regelmäßig auf dem Feld sehen. Beide sind gute Special-Teams-Spieler und haben schon dadurch ihren Wert für die Teams. Die beiden anderen Deutschen, Christopher Ezeala und Moritz Böhringer, werden erstmal außen vor bleiben.

Philadelphia geht als Titelverteidiger ins Rennen. Der alljährliche Titelanwärter, die New England Patriots mit Topstar Tom Brady, sinnt auf Revanche. Wer ist Ihr Favorit?

Werner: Wenn ich Geld setzen müsste, würde ich auf die Patriots setzen. Solange Tom Brady bei denen Quarterback ist, haben die Patriots die besten Titelchancen. Das ist zwar langweilig, weil die seit 15 Jahren vorne dabei sind, aber die machen halt auch einfach einen guten Job. Ich persönlich hoffe wieder auf eine Überraschung und fände es cool, wenn Jacksonville es weit schaffen würde.

Zum Abschluss noch: US-Präsident Trump mischt sich auch im Sport gerne ein. Den traditionellen Besuch des amtierenden Meisters im Weißen Haus hat er abgesagt, weil einige Spieler bei der Hymne aus Protest gegen Rassismus gekniet haben. Wie erleben Sie die NFL und die USA unter Donald Trump?

Werner: Ich persönlich bin da einfach sprachlos und denke, er sollte sich nicht so viel auf Sport sondern die wirklich wichtigen Dinge der Politik konzentrieren. Bei vielen Leuten sorgt er einfach nur noch für Kopfschütteln, genauso gibt es aber die großen Trump-Fans. Er wird hier sehr zwiespältig gesehen.

(cbo)
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