Bei der Mehrkampf-WM der Eisschnellläufer Turbulenzen: Friesinger vor Gold - Niemann raus

Budapest (sid). Eisschnelllauf-Star Gunda Niemann-Stirnemann erlebte bei der Allround-WM in Budapest ein Waterloo, Anni Friesinger hingegen Glücksgefühle. Während die Inzellerin zur Halbzeit des Vierkampfs die Führung übernahm, wurde "Wunder-Gunda" wegen eines Wechselfehlers nach 2.400 Metern im 3.000-m-Rennen disqualifiziert. "Ich habe meinen Trainer Klaus Ebert noch rufen hören: Du musst wechseln. Aber da war es schon zu spät", sagte die Rekord-Weltmeisterin und dreimalige Olympiasiegerin aus Erfurt, die ihre Hoffnungen auf den neunten WM-Titel im Mehrkampf damit frühzeitig begraben musste.

"Ich wollte eigentlich bloß clever laufen", meinte die 34-Jährige tief enttäuscht. Wie es dazu kam, dass sie das Queren von der Außen- zur Innenbahn versäumte, konnte sie nicht recht erklären: "Ich habe versucht, den Windschatten der Bande zu nutzen, und dann bin ich irgendwie nicht mehr rübergekommen." Böiger Wind hatte den wegen frühlingshafter Temperaturen in die Abendstunden verlegten Wettbewerb beeinträchtigt.

Anni Friesinger hingegen hatte gut lachen. "Einfach cool. Es läuft optimal", meinte die 24-Jährige schon nach ihrem überraschenden 500-m-Sieg zum Auftakt, bei dem sie in 39,99 Sekunden als einzige Läuferin unter der 40-Sekunden-Marke blieb. Am Abend verlor Friesinger vor 4.000 Zuschauern auf der Freiluft-Eisbahn am Citypark mit Platz drei über 3.000 m in 4:19,78 Minuten nur geringfügig an Boden. "Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen", meinte Friesinger, die erst vergangene Woche nach dreiwöchiger Verletzungspause ihr Comeback gegeben hatte.

Zur Halbzeit führt die Vorjahres-Europameisterin mit 83,286 Punkten vor Renate Groenewold aus den Niederlanden (83,921), die mit der besten 3.000-m-Zeit (4:16,57) aufwartete, und der Berliner Titelverteidigerin Claudia Pechstein (84,173), die nach enttäuschender 500-m-Leistung (7. in 41,12 Sekunden) über 3.000 m in 4:18,32 Minuten nur wenig auf Friesinger gutmachte. Die Entscheidung fällt am Sonntag über 1.500 und 5.000 m.

Claudia Pechstein, bei der EM vor vier Wochen noch Schnellste im Sprint, war sauer: "Ich laufe die 500 Meter mal so, mal so. Heute das war bescheiden." Auch Niemann-Stirnemann hatte einen Fehlstart hingelegt: Die ohnehin als schwache Sprinterin bekannte achtmalige Allround-Weltmeisterin aus Erfurt war als 17. über 500 m (42,01) deutlich hinter den eigenen Erwartungen geblieben: "Ich wollte gut laufen. Das ist mir nicht gelungen."

Anni Friesinger stürmte dagegen mit heißem Herz an die Spitze: "Ich hatte einen Riesenbock darauf, hier zu laufen", erklärte die 24-Jährige, die als Titelverteidigerin bei der EM in Italien über 500 m schwer gestürzt war und wegen einer Gehirnerschütterung eine Zwangspause einlegen musste. Trotz der hohen Motivation behielt die temperamentvolle Oberbayerin in Budapest kühlen Kopf und bot gleich im ersten Rennen eine taktische Meisterleistung: "Ich hatte das Glück, auf der Gegengeraden bei meiner Gegnerin Barbara de Loor im Windschatten laufen zu können."

Der Grefrather Christian Breuer sorgte derweil überraschend für einen deutschen Disziplinsieg bei den Herren. Wie vor zwei Jahren bei der WM in Hamar holte der 24-Jährige die "kleine Goldmedaille" über 500 m und meinte erleichtert: "Ich kann es doch noch. Das Tief der letzten Wochen hatte mich ins Grübeln gebracht." In der Gesamtwertung dürfte Breuer jedoch nur eine Nebenrolle spielen.

Eine enttäuschende Vorstellung bot der deutsche Meister Frank Dittrich (Chemnitz) zum Auftakt. Der Allround-WM-Dritte von 1997 kam in 40,63 Sekunden nicht über die zweitschwächste Zeit hinaus, Jan Friesinger (Inzell) zog sich als 16. in 38,78 Sekunden dagegen achtbar aus der Affäre. Die Herren laufen nach den 5.000 m vom Samstagabend am Schlusstag noch 1.500 und 10.000 m.

Am Abend aber rehabilitierte Dittrich sich mit dem dritten Platz über 5000 m . In 6:49,69 Minuten musste sich der Sachse nur dem Belgier Bart Veldkamp (6:43,69) und dem Niederländer Ids Postma (6:49,51) beugen. Im Gesamtklassement nach zwei Strecken führt Ex-Weltmeister Postma vor seinem Landsmann Rintje Ritsma. Bester Deutscher ist der Grefrather Christian Breuer, der am Vormittag die 500 m gewonnen hatte, auf Rang fünf.

Auf Grund der frühlingshaften Witterung in Budapest musste das Wettkampfprogramm am Samstag nach den 500-m-Rennen für vier Stunden unterbrochen werden, weil Sonnenschein und Temperaturen um zwölf Grad keine wettkampfgerechte Eisaufbereitung mehr erlaubten. Die erste Startzeit am Sonntag wurde um zwei Stunden auf 10.00 Uhr vorverlegt.

Damen, 500 m:

1. Anni Friesinger (Inzell) 39,99 (Bahnrekord); 2. Jennifer Rodriguez (USA) 40,29; 3. Cindy Klassen (Kanada) 40,49; 4. Warwara Baryschewa (Russland) 40,53; 5.Barbara de Loor (Niederlande) 40,81; 6. Emese Hunyady (Österreich) 40,93; 7. Claudia Pechstein (Berlin) 41,12; ...17. Gunda Niemann-Stirnemann (Erfurt) 42,01

Damen, 3.000 m:

1. Renate Groenewold (Niederlande) 4:16,57 Minuten, 2. Pechstein 4:18,32, 3. Friesinger 4:19,78, 4. de Loor 4:22,09, 5. Tonny de Jong (Niederlande) 4:23,35, 6. Klassen 4:23,38 - disqualifiziert: Niemann-Stirnemann wegen eines Wechselfehlers nach 2.400 Metern

Zwischenstand nach zwei der vier Disziplinen:

1. Friesinger 83,286 Punkte, 2. Groenewold 83,921, 3. Pechstein 84,173, 4. Klassen 84,386, 5. de Loor 84,491, 6. Rodriguez 85,018

Herren 500 m:

1. Christian Breuer (Grefrath) 37,55 Sekunden, 2. Takiro Ushiyama (Japan) 37,59, 3. Ids Postma (Niederlande) 37,61, 4. Alexander Kibalko (Russland) 37,64, 5. Rintje Ritsma (Niederlande) 37,76, 6. Sergej Tsybenko (Kasachstan) 37,82, ... 16. Jan Friesinger (Inzell) 38,78, ... 23. Frank Dittrich (Chemnitz) 40,63

Herren, 5000 m:

1. Bart Veldkamp (Belgien) 6:43,69 Minuten (Bahnrekord); 2. Ids Postma (Niederlande) 6:49,51; 3. Frank Dittrich (Chemnitz) 6:49,69; 4. Keiji Shirahata (Japan) 6:49,93; 5. Dustin Molicki (Kanada) 6:50,42; 6. Wadim Sajutin (Russland) 6:50,86; ...13. Christian Breuer (Grefrath) 6:59,00; 21. Jan Friesinger (Inzell) 7:07,16

Zwischenstand nach zwei Disziplinen:

1. Ids Postma (Niederlande) 78,561 Punkte, 2. Rintje Ritsma (Niederlande) 78,868; 3. Keiji Shirahata (Japan) 79,420; 4. Alexander Kibalko (Russland) 79,420, 5. Christian Breuer (Grefrath) 79,450; 6. Bart Veldkamp (Belgien) 79,559; ...20. Jan Friesinger (Inzell) 81,496, 22. Frank Dittrich (Chemnitz) 81,599

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort