Willingen Schneemangel bedroht den Wintersport

Willingen · Die vergleichsweise milden Temperaturen bereiten den Veranstaltern immer wieder Probleme. Absagen sind keine Seltenheit. Schneekanonen sind auch nicht immer ein Ausweg. Und die Aussichten sind nicht ermutigend.

Die Willinger haben die Hoffnung aufgegeben. Die Hoffnung darauf, dass sich der Winter am Ostrand des Sauerlands in den nächsten Tagen einstellt und der Ski-Club die Mühlenkopfschanze für den Weltcup am übernächsten Wochenende mit lokalem Schnee präparieren kann. In den Skihallen Neuss und Bispingen (zwischen Hannover und Hamburg gelegen) haben sie deshalb Schnee bestellt. Aus Bremerhaven lassen sich die Hessen Eisstückchen liefern, die sonst dazu verwendet werden, Makrele und Seelachs zu kühlen. Und aus dem 480 Kilometer entfernten Titisee-Neustadt kommt, was dort nach dem Weltcup-Skispringen Mitte Dezember übrig geblieben ist. Insgesamt 2500 Kubikmeter Schnee werden quer durchs Land gekarrt. Das Eis aus der eigenen Sporthalle wird nun benutzt, um die Anlaufspur zu präparieren.

Drei Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele im subtropischen Sotschi klagt Deutschland – die zweitbeste Wintersportnation – über Schneemangel. Sprungschanzen lassen sich mit immensem Aufwand und mit dem Geld der Ausfallversicherungen und des Deutschen Skiverbandes gerade noch präparieren. Für den alpinen Sport reicht es aber nicht.

Die Rennen der Damen in Garmisch-Partenkirchen können nicht stattfinden, weil es selbst im Werdenfelser Land nicht genug geschneit hat und weil es nicht kalt genug für die Kunstschneeproduktion war. Der als Werbung für den Wintersport vorgesehene Parallelslalom auf dem Münchner Olympiaberg musste schon abgesagt werden. Genauso der für dieses Wochenende geplante Skicross in Bischofswiesen bei Berchtesgaden.

Auf sein Wintermärchen 2013/14 wartet Deutschland vergeblich, seit im November die Eröffnung des Skisprung-Weltcups im sächsischen Klingenthal auf schmutzigem Schnee aus dem Vorwinter stattfand. Die Vierschanzentournee und die Biathlon-Weltcups in Oberhof und Ruhpolding wurden bei Plusgraden durchgeführt. Die Zuschauer standen im Matsch. Dabei lebt die Branche doch von einer winterlichen Rosamunde-Pilcher-Romantik, in der die Landschaft aussehen soll, als habe jemand einen Sahnetopf ausgeschüttet.

Auch wenn es nach dem bis April dauernden Winter 2012/13 schwerfällt, dauerhaft an lauwarme und schneearme Winter zu glauben, prognostizieren Forscher genau diese. "Wissenschaftler erwarten, dass sich die Klimaerwärmung in diesem Jahrhundert weiter fortsetzt und sich die Zahl der Tage, an denen die Temperatur nicht über null Grad steigt, in Bayern bis 2050 durchschnittlich halbieren wird", teilt das Bayerische Landesamt für Umwelt mit. Und weiter: "In Bayern lässt sich seit den 1950er Jahren ein Trend zu schneeärmeren Wintern und kürzer andauernder Schneebedeckung in den unteren und mittleren Höhenlagen beobachten."

Auf Dauer dürfte auch die Kunstschneeproduktion kaum noch helfen. 1963 gab es in Garmisch-Partenkirchen die ersten Versuche mit Schneekanonen. Moderne Anlagen produzieren auch bei leichten Plusgeraden. Doch der Wasser- und Energieverbrauch ist hoch, und eine Zierde für die Landschaft sind die Geräte auch nicht gerade. Bei weiter steigenden Durchschnittstemperaturen werden ihre Einsatzzeiten immer kürzer. Der Einsatz von Chemikalien im Kunstschnee ist in Deutschland nicht gestattet.

Jürgen Hensel, Organisationschef des Skispringens in Willingen, betont: "Es ist bei uns seit 1995 noch nie ein Weltcup wegen fehlendem Schnee ausgefallen. Das wird auch diesmal nicht passieren." Ein Ausfall wäre verheerend. Denn die Zahl der Bewerber um Weltcups ist deutlich höher als die Zahl der Termine zwischen November und März: Polen hat durch Investitionen jetzt seinen festen Platz, das russische Sotschi will auch künftig die Olympia-Anlagen nutzen, genauso Kanada mit den Schanzen von 2010 und Südkorea mit denen für 2018.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort