2:1-Sieg in Frankreich Löw verteilt Komplimente an sein Team

Paris · Beim 2:1-Sieg in Frankreich wurde deutlich, wie sich das Offensivspiel mit Mesut Özil als treibender Kraft weiterentwickelt hat. Lukas Podolski und Mario Gomez haben in diesem System kaum Zukunft.

Länderspiel 2013, Frankreich - Deutschland: Einzelkritik
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Beim Abgang gab Joachim Löw noch mal den badischen Rohrspatz. Wütend gestikulierte der Bundestrainer, er warf die Arme in die Luft wie einst der unvergleichliche Fußballkaiser Franz Beckenbauer, er schimpfte und zeterte beim Marsch in die Kabine. Normalerweise sehen so keine Sieger aus. Den kleinen Anfall begründete der Coach auch damit, dass er beinahe kein Sieger geworden wäre.

"Um den Lohn gebracht"

"In den letzten Minuten hätten wir noch ein Tor fangen können. Da hätte sich die Mannschaft um den Lohn gebracht", erklärte er. Es reichte trotzdem zu einem 2:1-Erfolg gegen Frankreich im Pariser Stade de France — dem ersten Sieg in diesem Prestige-Duell seit 1987. Und weil er sehr überzeugend erspielt wurde, war Löw, als er wieder bei normalem Blutdruck angelangt war, "natürlich sehr zufrieden. Wir waren klar die bessere Mannschaft, das Team hat es mit sehr viel Willen, Einsatz und Spielfreude gemacht, großes Kompliment".

So ganz nebenbei hat Löw während dieser Begegnung die Taktik revolutioniert. Nach einer Stunde nahm er Mittelstürmer Mario Gomez vom Platz, der dem Kombinationsfluss der Kollegen meist nur sehr einsam aus vorderer Front zugeschaut hatte. Fortan stießen der alle überragende Mesut Özil und Toni Kroos abwechselnd in die Spitze, und die Franzosen standen dem zwingenden Zusammenspiel der Deutschen ziemlich ratlos gegenüber. Löw hütete sich zwar davor, die Formation ohne echten Stürmer zur taktischen Zukunftsformel zu verklären, aber er wies sehr gern auf die Wirksamkeit dieser Umstellung hin.

Und weil er lieber der freundliche Jogi als der giftige Herr Löw ist, packte er seine Ansicht in ein paar Streicheleinheiten für Gomez. "Bei Mario Gomez war klar, dass er wegen der fehlenden Spielpraxis noch nicht in der Lage ist, das volle Tempo mitzugehen", sagte der Bundestrainer, "aber das Spiel war wichtig, weil wir ihn für die Zukunft noch brauchen. Als Özil mit seiner Ballsicherheit in der Spitze war, da kamen die Franzosen nicht mehr zurecht. Wir haben dann fast jeden Angriff bis vors Tor gebracht." Dabei schaute Löw sehr zufrieden. Und das legt den Verdacht nahe, dass zentrale Strafraumspieler in seiner Vorstellung vom perfekten Fußball keine Hauptrolle einnehmen.

Podolski fällt ab

Vielleicht haben sich in Paris ohnehin ein paar personelle Planspielchen als nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Denn nicht nur Gomez könnte der Leidtragende der spielerischen Entwicklung seiner Kollegen sein. Auch Lukas Podolski, der wieder auf der linken offensiven Außenbahn ran durfte, beherrscht die Feinheiten des "Spiels zwischen den Linien von Verteidigung und Mittelfeld" (Frankreichs Trainer Didier Deschamps) lange nicht so gut wie seine Stammplatzkonkurrenten Andre Schürrle und Marco Reus — von Thomas Müller ganz zu schweigen, der Räume findet, die der Gegner nicht sieht. Und die Antwort auf die Diskussionen um eine Nominierung des Leverkusener Stürmers Stefan Kießling könnte die Taktik mit einem sehr offensiven Özil sein.

Denn der Deutsche in Diensten Real Madrids ist ein Meister des Spiels zwischen den Linien. Didier Deschamps pries seine Spielkunst fast ebenso laut wie Löw. Der Bundestrainer betonte darüber hinaus, dass der gelegentlich ein bisschen abwesend dreinblickende Feingeist nicht nur mit seinen Ideen und seiner grandiosen Behandlung des Spielgeräts zu punkten versteht, "sondern auch eine enorme Laufleistung bietet. Er ist ein überragender Fußballer".

Özil profitierte in Paris von einer fußballerisch hervorragend funktionierenden Achse. Die Innenverteidiger Per Mertesacker und Mats Hummels fanden sehr zur Freude des obersten Übungsleiters in aller Regel spielerische Lösungen im Aufbau. In der defensiven Mittelfeldzentrale sortierten Sami Khedira und der erneut überzeugende Dortmunder Ilkay Gündogan das deutsche Spiel. Und sie bezogen Özil als finalen Ideengeber mit brauchbaren Zuspielen ein. Dadurch überwand die DFB-Elf mit manchmal verblüffender Leichtigkeit die französischen Ketten. Sie schuf sich spielerisch Raum. "Und wenn die Deutschen Raum bekamen, dann wurde es für uns schwer", räumte Deschamps ein. "Wir haben die richtigen Mittel gefunden", stellte sein Kollege Löw fest.

Da widersprach niemand. Und weil es gerade so gut passte, vergaß der Bundestrainer auch nicht, einen beachtlichen Lernerfolg seiner Schützlinge hervorzuheben. "Wir haben in der Regel sehr sauber von hinten heraus gespielt und so das Spiel auch in französischen Druckphasen nicht aus der Kontrolle verloren", sagte er. "Das war viel besser als gegen Schweden." Aus dem Trauma dieser 4:4-"Niederlage" nach 4:0-Führung vom vergangenen Oktober hat sich die DFB-Auswahl nun in Paris herauskombiniert. Es war das öffentliche Ende der ersten Glaubwürdigkeitskrise in Joachim Löws Amtszeit als Bundestrainer. Deswegen ließ er den badischen Rohrspatz selbstverständlich in der Kabine des Stade de France.

(RP/seeg/rm)
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