Ziege mit den meisten Länderspielen Frust in der Warteschleife

Helsinki (rpo). Nicht nur Oliver Bierhof (Foto) hat in diesen Tagen vor dem Spiel gegen Finnland einen dicken Hals, auch Christian Ziege (Foto unten) hat Frust. "Meine Situation ist sicher nicht die beste. Aber es gibt viel Schlimmeres", sagt Ziege. Mit 57 Berufungen und acht Jahre Auswahl-Erfahrung ist er einer der erfahrensten deutschen Spieler.

Von "Katastrophe" oder "Schicksal" wollte der 29-Jährige trotzdem vor dem WM- Qualifikationsspiel am Samstag in Helsinki gegen Finnland nicht sprechen. Es ist ja nur eine Fußball-Krise und keine Krankheit. So oder so ähnlich dürfte sich der Wahl-Liverpooler, der an der berühmten Anfield Road sportlich unglücklich ist, selbst Mut zusprechen.

Ziege in der Warteschleife, dies gilt nun bereits seit vier Jahren, als der gebürtige Berliner seinen "Stammverein" FC Bayern verließ. Sein Auftritt in Italien beim AC Mailand endete ebenso frustrierend wie sein erstes englisches Kapitel beim FC Middlesbrough, wo er eigentlich auf dem Weg zu alter Stärke war. Viel Streit und Gerichts-Termine hatten Ziege nach der verkorksten EM 2000 die komplette Saison-Vorbereitung gekostet, bevor sein Wechsel nach Liverpool für 17,6 Millionen Mark perfekt und ein Vertrag über vier Jahre unterzeichnet war.

"In Deutschland habe ich das Image eines arroganten Spielers, der oft keine Lust hat. In England sehen mich die Leute anders, obwohl ich nicht anders spiele", meinte der 29-Jährige danach. Doch auch die Herrlichkeit in Liverpool war schnell vorbei. Ziege wurde zum Stammgast auf der Ersatzbank und sogar auf der Tribüne, während seine Kollegen den Liga-Pokal, den F.A.-Cup und den UEFA-Pokal gewannen.

"Wenn man nicht so oft spielt, ist es schwierig, die Meinung der Leute zu ändern", erklärte Ziege und verweist auf seinen Kollegen Bierhoff. "Vor ein paar Monaten war er noch König. Im Moment behandelt ihn jeder so, als ob er überhaupt noch nie richtig Fußball gespielt hätte", so Ziege. "Es wird viel Meinung gemacht, dabei haben die Leute gar nicht den tiefen Einblick. Ich habe mir eine Menge Gedanken gemacht. Ich habe im Training immer 100 bis 110 Prozent gebracht, mehr kann ich nicht machen."

Der Streit mit Liverpools Trainer Gerald Houllier, der zwar Zieges Landsleuten Markus Babbel und Dietmar Hamann eine Führungsrolle bei den "Reds" einräumt, aber ihn selbst als zweite Wahl einstuft, könnte schon bald mit einer erneuten Flucht enden. Wenn er nicht mehr das Gefühl habe, eine faire Chance zu bekommen, "wäre ein Wechsel sicher sinnvoll", deutete der Mittelfeldspieler erneute Wechselambitionen an. Denn nur über eine steigende Formkurve im Club kann er sich auch seine WM-Chancen bewahren.

"Es gibt Fußballer, die werden mehr gemocht - andere weniger", glaubt Ziege. Unter Rudi Völler als Teamchef bekam der Linksfuß eigentlich neue Hoffnung. Der Ribbeck-Nachfolger holte ihn trotz fehlender Spielpraxis schon bei seinem Debüt im August 2000 in den Kader. Doch mehr als vier Minuten beim WM-Spiel in England (1:0), 87 Minuten im Freundschaftspiel in Dänemark (1:2), eine Minute gegen Weltmeister Frankreich (0:1), 90 Minuten gegen Griechenland (4:2) und zehn Minuten am vergangenen Dienstag gegen die Slowakei (2:0) durfte Ziege nicht spielen. "Fußball ist kurzlebig", sagt Ziege. Er hofft weiter auf die Wende, das habe Athen gezeigt, als er überraschend in der Anfangself stand. "Nach einem Tief kommt wieder ein Hoch."

(RPO Archiv)
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