Stevens nach Derby-Pleite grantig Schalke wie eine Schülermannschaft

Dortmund · Die Fans enttäuscht, die Verantwortlichen erzürnt, der Trainer entsetzt: Nach der schmerzhaften 0:2 (0:1)-Pleite im 139. Revierderby gegen Borussia Dortmund war die Stimmung bei Schalke 04 am Tiefpunkt. Doch noch bevor sich die Spieler der Königsblauen in Selbstkritik üben konnten, stellte Schalke-Coach Huub Stevens ein vernichtendes Arbeitszeugnis aus: "In der ersten Halbzeit war es phasenweise so, dass ich manchmal eine Erwachsenenmannschaft gegen eine Schülermannschaft gesehen habe. Das darf nicht sein. Ich hoffe, dass das eine gute Lernphase für die jungen Burschen ist."

Bundesliga 11/12: Schalke-Boss im Bengalo-Rauch
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Der Auftritt der Schalker beim prestigeträchtigen Kräftemessen mit dem ungeliebten Nachbarn wurde über weite Teile zum Offenbarungseid. Während der BVB fast über die gesamte Spielzeit im Stile einer echten Spitzenmannschaft agierte, Räume gekonnt zustellte und durch schnelles und ballsicheres Offensivspiel überzeugte, funktionierte beim S04 wenig bis gar nichts.

In Sportdirektor Horst Heldt brodelte es deshalb gewaltig. "Es ist einfach nur ärgerlich. Wir haben zu wenig Spieler gehabt, die an ihr Leistungsniveau herangekommen sind. Ich hätte mir beim Derby, bei einem so wichtigen Spiel, ein anderes Auftreten gewünscht. Vor allem, nachdem einige sich im Vorfeld öffentlich positioniert hatten, erwarte ich mehr. Wir werden intern darüber sprechen müssen", sagte Heldt.

Gegen den zu jeder Zeit überlegenen Rivalen mischten sich Stellungsfehler mit Fehlpässen, die Gelsenkirchener fanden in den seltensten Situationen die richtige Lösung. Bezeichnend, dass die sieben laufstärksten Spieler der Partie Schwarz-Gelb trugen. Magere drei Torschüsse in 90 Minuten gab Königsblau ab, von denen nur einer das Tor von BVB-Keeper Roman Weidenfeller erreichte. Torgefahr sieht anders aus.

Zwar halten die Schalker weiter den Anschluss an die Spitzengruppe, doch die Leistung am Samstag lässt am eigenen Anspruch, zu den Top-Teams der Liga zu gehören, zweifeln. Stevens versuchte am Sonntag jedoch die Schmach zu relativieren. "Es ist klar, dass diese Mannschaft Höhen und Tiefen hat. Gestern hatte sie viele Tiefen. Es sind keine Maschinen, es sind Menschen mit Emotionen und Gefühlen", sagte der 57-Jährige im Sport1-Doppelpass. Der knorrige Niederländer war sogar wieder zu Scherzen aufgelegt: "Ich habe den Spielern gesagt, dass sie heute nichts zu essen bekommen."

Inwiefern der Schalker Kader im Winter verstärkt werden kann, ist angesichts der angespannten Finanzlage unklar. Stevens glaubt jedoch, auch mit der derzeitigen Mannschaft den Rest der Saison erfolgreich zu bestreiten: "Der Kader hat das Potenzial, oben mitzumischen und um die internationalen Plätze zu spielen."

Die Schalker Spieler, die nach der Partie auch mit Pfiffen vom eigenen Anhang verabschiedet wurden, gaben sich kleinlaut und einsichtig. "Wenn man das Spiel gesehen hat, kann man die Kritik nachvollziehen. Wir haben uns sehr viel vorgenommen, sehr viel über die Partie gesprochen. Aber es hat nicht sollen sein", sagte Nachwuchshoffnung Julian Draxler, der in seinem ersten Derby von Beginn an bei jeder Ballberührung ausgepfiffen worden war.

Einer der wenigen Lichtblicke an einem rabenschwarzen Tag war dagegen Torhüter Lars Unnerstall, der es auf mehr Ballkontakte als die Stürmer Klaas-Jan Huntelaar und Raul zusammen brachte. Auch wenn der 21-Jährige beim 0:1 durch Robert Lewandowski (16.) unglücklich aussah, bewahrte Unnerstall den S04 mit zahlreichen Glanzparaden vor einem noch größeren Debakel.

(sid)
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