Letzter Spieltag Späte Sprünge sind selten bei Borussia

Mönchengladbach · So oft passiert es gar nicht, dass sich Borussias Platzierung am letzten Spieltag noch verändert. Will sie es dieses Jahr noch nach Europa schaffen, muss sie einen fast schon historischen Sprung hinlegen.

 Trainer Friedel Rausch (rechts) fällt Stefan Effenberg nach dem „Wunder von Wolfsburg“ um den Hals.

Trainer Friedel Rausch (rechts) fällt Stefan Effenberg nach dem „Wunder von Wolfsburg“ um den Hals.

Foto: Dieter Wiechmann

Die Reize, die so ein letzter Spieltag bietet, schlagen sich am Ende oftmals gar nicht in der Tabelle nieder. Sieben Tage seit dem vorletzten konnten gefüllt werden mit „Was wäre, wenn“-Geschichten, um dann nach dem 34. Spieltag festzustellen, dass die Lage meistens die gleiche ist wie nach dem 33. Spieltag. Borussias Platzierung hat sich in 36 von 49 Bundesliga-Spielzeiten am letzten Spieltag nicht mehr verändert. Siebenmal ging es noch hoch, sechsmal runter.

Ein gutes Beispiel für 90 Minuten Wechselbad der Gefühle und Tabellen-Konstellation ist die Saison 2010/2011, die in den vergangenen Tagen häufig zitiert worden ist. Durch Hoffenheims Führung gegen Wolfsburg war Borussia, vom Relegationsplatz in den Spieltag gegangen, minutenlang gerettet, durch die eigene Führung ab kurz vor der Pause noch geretteter und später sogar ein paar Sekunden – scheinbar – direkt abgestiegen, weil die Kunde vom Dortmunder Ausgleich gegen Frankfurt mit Verspätung durchsickerte. Am Ende sahen die Platzierungen so aus wie vorher: Wolfsburg war sofort gerettet, Gladbach musste in die Relegation, Frankfurt war direkt abgestiegen.

Die letzte Saison, in der sich Borussias Position am 34. Spieltag noch veränderte, war 2009/2010: Mit einem 1:1 gegen Leverkusen ging es hoch vom 13. auf den zwölften Platz, was aber nur relevant war, weil Borussia an Köln vorbeizog. Runter ging es seit 1997 nicht mehr, damals vom zehnten auf den elften Platz. So egal war es in den meisten Fällen, nur die verspielte Vizemeisterschaft 1969 durch ein 5:6 gegen Bremen war ein wenig von Belang. Den neunten Platz hat Borussia allerdings diesmal sicher, es kann, wenn überhaupt, nur noch nach oben gehen. Und zum erst dritten Mal im 50. Bundesligajahr könnte es ein sportlich relevanter Sprung in der Tabelle sein – von der unteren Einstelligkeit nach Europa, entweder über Umwege oder direkt.

1998 und 1971 gestaltete sich die Ausgangssituation extremer. Während Borussia im einen Jahr noch den Abstieg verhinderte durch das „Wunder von Wolfsburg“, gelang ihr im anderen die Titelverteidigung. Der 2:0-Erfolg in Wolfsburg, nach dem Trainer Friedel Rausch seinem Anführer Stefan Effenberg um den Hals fiel und Patrik Andersson mit Wikinger-Helm auf den Schultern eines Fans saß, hat sich vergangenen Mittwoch zum 20. Mal gejährt. „Ich glaube, dieser Nichtabstieg ist für die ganze Region noch wichtiger als der Pokalsieg 1998“, sagte Effenberg und sollte im folgenden Jahr vom ersten Abstieg der Vereinsgeschichte widerlegt werden. Der „Tiger“ hatte sich vorbildlich reingehängt für Borussia, zog dann aber weiter zum FC Bayern.

Vor 47 Jahren holte sich Borussia am letzten Spieltag die Tabellenführung zurück, die sie erst am vorletzten verloren hatte – trotz eines 4:3-Sieges gegen Rot-Weiss Essen. Die Bayern hatten höher gewonnen und sich mit 74:34 Toren an die Spitze gesetzt, Borussia ging mit 73:34 in den letzten Spieltag. Bis zur 43. Minute blieb es sowohl in Frankfurt, wo Gladbach antreten musste, als auch in Duisburg, wo die Münchner zu Gast waren, torlos. Dann brachte Günter Netzer die Borussen in Führung, zwei Minuten lang waren sie Erster, bis Harald Nickel noch vor der Pause einen Freistoß versenkte.

Bis zur 55. Minute hatten wieder die Bayern die Nase vorn, Rainer Budde traf für Duisburg und verdoppelte die Schützenhilfe in der 69. Minute mit seinem zweiten Tor. Kurz darauf wachten die Gladbacher auf, Horst Köppel schoss das 2:1 und Jupp Heynckes erhöhte per Doppelpack auf 4:1. Für Borussias Rekordtorjäger war es die erste Meisterschaft, nachdem er zur Saison 1970/71 aus Hannover zurückgekehrt war. „Wir müssen zweimal hintereinander Deutscher Meister werden, dann kennt man Mönchengladbach“, hatte Trainer Weisweiler im Saisonverlauf gesagt. Mit der Prophezeiung sollte er mehr Recht behalten als Effenberg 1998.

Der letzte Spieltag in diesem Jahr würde bereits bei einem Unentschieden in Hamburg Geschichte schreiben – weil der HSV dann erstmals abgestiegen wäre. Um in die Gladbacher Historie einzugehen, ist etwas mehr nötig. Aber die Voraussetzungen für ein Finale mit Seltenheitswert sind da.

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